Washington - Die Weltbank wird Haiti angesichts der Erdbeben-Katastrophe für fünf Jahre den Schuldendienst erlassen. Außerdem sucht die Organisation nach Angaben vom Donnerstag nach Möglichkeiten, ganz auf die Rückzahlung der gegenwärtigen Schulden Haitis von 38 Millionen Dollar verzichten zu können.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) kündigte unterdessen an, für einen geplanten Kredit in Höhe von 100 Millionen Dollar für den Wiederaufbau zumindest bis Ende kommenden Jahres keine Zinsen zu verlangen. Der Chef des IWF, Dominique Strauss-Kahn, forderte für Haiti Wiederaufbauhilfen nach dem Vorbild des Marshall-Plans. "Ich bin überzeugt, dass Haiti - das auf unglaubliche Weise von vielerlei getroffen wurde (...) - etwas Großes braucht", sagte er in Hongkong.
Diskussion um Wiederaufbau
Knapp zehn Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti kommt die Hilfe für Millionen Bedürftige auf Touren. Zugleich begann die Diskussion über den Wiederaufbau in dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre. Nach Ansicht des UN-Sondergesandten Bill Clinton sind dafür vor allem Jobs notwendig. "Die USA haben mit solchen Programmen große Erfahrung in Nahost und in Afghanistan", sagte der frühere US-Präsident am Donnerstag bei den Vereinten Nationen in New York.
Clinton betonte, den Haitianern müsse wieder ein Grund zur Hoffnung gegeben werden. "Es ist wichtig, den jungen Leuten etwas Positives zu geben, an dem sie sich festhalten können. Viele Haitianer wollen mitmachen beim Aufbau ihres Landes. Geben wir ihnen diese Chance!" Das Programm "Cash for Work" der Vereinten Nationen sei deshalb genau richtig, sagte Clinton nach einem Treffen mit Ban.
"Die Phase des Rettens ist jetzt fast abgeschlossen, jetzt muss die Versorgung der Menschen und vor allem der Wiederaufbau in den Mittelpunkt rücken", betonte auch der UN-Generalsekretär. Dafür habe er mit Clinton drei Ziele festgesetzt. "Zum einen müssen wir den Menschen helfen und sie versorgen. Zum zweiten müssen wir für Sicherheit und Stabilität sorgen. Und drittens müssen wir uns an den Wiederaufbau machen und vor allem die Wirtschaft in Haiti wieder aufrichten." Deshalb hätten die Vereinten Nationen das "Cash for Work"-Programm gestartet. Dabei bekommen die Haitianer, die Trümmer räumen oder Straßen ausbessern, fünf Dollar (3,50 Euro) am Tag.
Tragödie in Chance wandeln
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon betonte, die Haitianer müssten die Tragödie, so weit es geht, in eine Chance umwandeln. Die ganze Welt stehe hinter ihnen und helfe beim Aufbau des zerstörten Landes. "Ich weiß, was das für eine große Herausforderung ist. (...) Das Volk ist vereint und zusammen mit der internationalen Gemeinschaft werden wir diese Tragödie überstehen."
Ban hält die Anfangsprobleme der Helfer für überwunden. Bei einem Gottesdienst für die Zehntausenden Toten in New York hatte er bereits am Mittwoch (Ortszeit) gesagt: "Ich weiß, dass es in den ersten Tagen gewisse Verzögerungen gab. Aber mittlerweile haben wir ein sehr effektives System aufgebaut, um Engpässe zu umgehen." Auch das Rote Kreuz erklärte, Hilfe komme nun an. Allerdings ist die Verteilung der Hilfsgüter immer noch äußerst schwierig. Der Versuch der Deutschen Welthungerhilfe, Bohnen, Reis und Salz an Bedürftige zu verteilen, endete trotz guter Vorbereitung am Donnerstag in einem Tumult, bei dem junge Männer Frauen und Kinder abdrängten und die Hilfsgüter raubten.
Spenden am dringendsten
Clinton empfahl den Menschen in aller Welt, Geld zu spenden. "Das ist jetzt am dringendsten. Vielleicht fragen wir Sie mal nach Decken, vielleicht fragen wir Sie mal nach Zelten, aber jetzt brauchen wir Geld." Er selbst würde vor allem an etablierte Organisationen spenden. "Ich würde fragen, ob die Institutionen schon vor der Katastrophe in Haiti gearbeitet haben. Und da gibt es viele gute Organisationen wie UNICEF, das Welternährungsprogramm, Oxfam, Worldvision und andere."
Helfer aus aller Welt arbeiten weiter rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung. Und immer noch wurden Überlebende des Jahrhundertbebens der Stärke 7,0 gefunden, bei dem womöglich bis zu 200.000 Menschen starben. Auch der schon totgesagte haitianische Justizminister Paul Denis überlebte die Katastrophe. Haitis Botschafter in Deutschland, Jean Robert Saget, korrigierte frühere Angaben. "Ich bin falsch informiert worden, er wurde nur verletzt", sagte Saget.
EU-Außenminister beraten
Die EU-Außenminister kommen am Montag erneut zu Beratungen über die Unterstützung für Haiti zusammen. Dabei geht es auch um Beiträge der Europäer zur internationalen UNO-Truppe (MINUSTAH) in Form von Polizei- und militärischen Sicherheitskräften, hieß es am Freitag in diplomatischen Kreisen. Nun müsse man eine erste Bilanz ziehen, inwieweit die Koordination der Hilfe funktioniere. EU-Entwicklungshilfekommissar Karel De Gucht werde am Sonntag von seinem Haiti-Besuch zurückkehren und den EU-Außenministerin berichten.
Ein konkreter Termin für eine Visite der EU-"Außenministerin", der Hohen Beauftragten für die gemeinsame EU-Außenpolitik, Catherine Ashton, auf Haiti stand am Freitag noch nicht fest. "Das ist geplant, aber wir haben noch kein Datum", hieß es in EU-Kreisen. Die Union hat Haiti bisher mehr als 420 Millionen Euro zugesagt, davon 200 Millionen Euro aus dem Gemeinschaftsbudget für den Wiederaufbau. Der Rest ist für humanitäre Hilfe und unmittelbare Wiederherstellung der staatlichen Infrastruktur vorgesehen. Die Wiederaufbauhilfe für Haiti ist auch ein Thema des EU-Sondergipfels am 11. Februar in Brüssel.
23 EU-Staaten wollen helfen
Bisher hätten bereits 23 EU-Staaten Hilfe für Haiti im Rahmen des zivilen Schutzmechanismus zugesagt. Was die konkrete Hilfe der einzelnen EU-Staaten betrifft, gebe es derzeit keine Zahlen. Am Montag beim Außenministerrat könnte es einen Überblick geben. Zur Entsendung von Gendarmerie oder Polizei nach Haiti hieß es, die EU-Staaten sollten entscheiden, in welcher Form, Qualität und Art sie ihre Unterstützung geben wollten. Außenminister Michael Spindelegger hatte nach dem EU-Sondertreffen am Montag erklärt, die UNO halte 450 Polizisten für erforderlich, der Anteil der Europäer würde 150 Mann betragen. Dies könnte mit der Bereitschaft Frankreichs zur Entsendung von Gendarmerie-Einheiten abgedeckt werden. (APA)