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Die israelische Polizei verhaftet einen Aktivisten während einer Demonstration in Ost-Jerusalem im Dezember.

Foto: AP/Sebastian Scheiner

Jerusalem - Jeden Freitag ziehen die Einwohner von Bilin und Naalin im Westjordanland zum Grenzwall und protestieren gegen die israelische Siedlungspolitik. Häufig werden sie von jüdischen Sympathisanten und internationalen Aktivisten unterstützt, selbst die Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter und Desmond Tutu haben sich ihnen schon angeschlossen. Die Demonstrationen in den beiden Dörfern werden vielerorts als Paradebeispiel gewaltfreier Protestaktionen gewürdigt. Doch immer häufiger werden ihre Teilnehmer verhaftet.

Seit vergangenem Sommer hätten die Festnahmen deutlich zugenommen, und immer häufiger seien vor allem prominente Aktivisten betroffen, beklagen israelische Menschenrechtsorganisationen. Sie sehen darin eine gezielte Einschüchterungskampagne der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, um jegliche Opposition im Keim zu ersticken. Polizeichef Micky Rosenfeld weist dies entschieden zurück. Es gebe keine Kampagne gegen Demonstranten, diese aber gingen sehr oft ohne Genehmigung auf die Straße.

Bürgerrechtler: Trend, abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen, begann mit Gaza-Krieg

Dies trifft vor allem in Ostjerusalem zu, wo immer wieder Mahnwachen gegen die Besatzungspolitik in den palästinensischen Gebieten abgehalten werden. Dabei wurden in jüngster Zeit rund 70 Personen festgenommen, darunter auch Hagai Elad, der Vorsitzende der Vereinigung für die Bürgerrechte in Israel. 36 Stunden später wurden die Aktivisten wieder freigelassen. Ein Gericht in Jerusalem befand, dass ihre Proteste zwar illegal, die Verhaftungen aber unnötig war.

Elad spricht von einem "dramatischen Anstieg der Bemühungen, abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen". Seiner Ansicht nach hat dieser Trend mit dem Gaza-Krieg vor einem Jahr begonnen. Damals wurden hunderte Anti-Kriegs-Demonstranten in Gewahrsam genommen, vor allem israelische Araber. Viele wurden wochen- oder gar monatelang ohne Anklage festgehalten.

So ergeht es seit einiger Zeit auch den Teilnehmer der schon seit Jahren traditionellen Freitagsdemonstrationen in Bilin und Naalin. Der Lehrer Abdullah Abu Rahmeh, einer der führenden Aktivisten aus Bilin, befindet sich seit einem Monat in Haft. Er wurde inzwischen der Anstiftung zum Aufruhr und des illegalen Waffenbesitzes beschuldigt - er hat nämlich zurückgelassene Tränengaskanister, Blendgranaten und andere Munition der israelischen Streitkräfte eingesammelt, um Besuchern zu zeigen, was in seiner Gegend vor sich geht.

Behörden: Müssen uns vor Extremisten schützen

Seit Juni wurden in Bilin und Naalin rund 150 Menschen festgenommen, oft bei Razzien mitten in der Nacht. Die israelischen Behörden machen geltend, sie müssten sich vor Extremisten schützen, bei deren illegalen Demonstrationen immer wieder Steine auf Soldaten geworfen würden. Israelische Menschenrechtler betonen indes, dass viele Palästinenser ihre Proteststrategie seit den gewaltsamen Ausschreitungen der Intifada grundlegend geändert hätten. Gut geplante friedliche Aktionen seien heute die Regel, und auch die Kooperation mit der israelischen Opposition habe sich vertieft.

Gerade dies scheine Israel zu irritieren, und eben deshalb gingen die Sicherheitskräfte mit solcher Härte gegen die Demonstranten vor, meinen Menschenrechtsorganisationen. Ein Paradebeispiel für Behördenwillkür ist ihrer Ansicht nach der Fall von Mohammed Othman. Er wurde bei seiner Rückkehr von einer Lobby-Tour durch Norwegen festgenommen und fast ununterbrochen verhört. Die Ermittler hätten im Detail von ihm wissen wollen, wie die internationale Bewegung zum Boykott israelischer Produkte funktioniere, wer das organisiere und was seine Kontakte seien, sagt der 33-Jährige, der erst nach vier Monaten wieder freigelassen wurde.

Die israelischen Behörden erklären, Othman sei unter dem Verdacht geheimer Aktivitäten, die die Staatssicherheit gefährdeten, festgenommen worden. Mit seinem politischen Engagement habe dies absolut nichts zu tun. Dies jedoch wird von Menschenrechtsaktivisten vehement angezweifelt. (apn)