ModeratorIn: derStandard.at begrüßt Herrn Kössler zum Chatten, wir freuen uns eine spannende Stunde.

Franz Kössler: Ich freue mich, dass ich hier sein kann und freue mich auch auf die Fragen!

UserInnenfrage per Mail: Sind Sie froh oder traurig über Ihren ORF-Abschied? Welches Gefühl überwiegt?

Franz Kössler: Ich war 30 Jahre beim ORF und es waren sehr spannende Jahre, deshalb gehe ich natürlich mit ein weinig Wehmut und auch Dankbarkeit aber ich glaube, dass es an der Zeit ist, wieder etwas Neues zu beginnen.

UserInnenfrage per Mail: Stimmt es, dass Sie nun Biologie studieren wollen, was interessiert Sie daran?

Franz Kössler: Ich habe in meiner Jugend Philosophie studiert, weil mich interessiert hat, was die Welt bewegt und jetzt im letzten Abschnitt meines Lebens möchte ich die gleiche Frage von der naturwissenschaftlichen Seite angehen und Fragen was die Natur bewegt deshalb möchte ich Mikrobiologie studieren.

UserInnenfrage per Mail: Wie hat sich der ORF innerhalb der vergangenen 30 Jahre entwickelt, wo sehen Sie Unterschiede?

Franz Kössler: Ich bin von einer linken Tageszeitung in Rom (il manifesto) zum ORF gestoßen, es war für mich eine ganz andere Welt und sehr spannend. Mir war aber wichtig, dass es ein öffentlich rechtiliches Medium war und ich sehe mit unbehagen, wie sich der Trend zu immer mehr Infotainment breit macht in der gesamten Fernsehwelt. Der ORF bleibt im VErgleich immer noch relativ gut.

UserInnenfrage per Mail: Was halten Sie von Dominic Heinzl im ORF? Ist diese Society-Sendung Ihrer Meinung nach öffentlich-rechtlich?

Franz Kössler: Es tut mir leid, aber ich kenne Dominic Heinzl überhaupt nicht, ich vermute, dass er viele Zuschauer hat deshalb offensichtilch ein Bedürfniss des Publikums befriedigt, ich glaube nicht, dass ich zu seiner Zielgruppe gehöre.

mürkenwürz: glauben Sie, dass die außenpolitik-ressorts der medien von einsparungen besonders bedroht sind

Franz Kössler: Ja leider internationaler Journalismus ist aufwendig und teuer und fällt leider der Finanzkrise der Medien besonders stark zum Opfer. In den amerikanischen Medien ist er drastisch gekürzt worden und leider kommt diese Tendenz jetzt auch nach Europa. Schade, weil in einer globalisierten WElt der internationale Durchblick besonders wichtig wäre.

sol: Wie sehen Sie die Entwicklung des Weltjournals in den letzten Jahren und was würden Sie ändern, wenn Sie allein darüber entscheiden könnten?

Franz Kössler: Ich würde es auf jeden Fall unter allen Umständen weiterführen. Es erfüllt eine sehr wichtige, auch demokratiepolitisch wichtige Aufgabe, internationale Zusammenhänge aufzuzeigen und Hintergründe auszuleuchten.

Rafaela: Welche Themen fanden Sie selbst besonders wichtig?

Franz Kössler: Mir ist es immer darum gegangen unserem Publikum einen Leitfaden für das VErständnis internationaler Entwicklungen und Zusammenhänge zu geben - manchmal auch mit einer ganz bestimmten Tendenz, damit die Zuschauer gefordert waren, sich ihre eigene Meinung und Position zu bilden. Wir haben in den vergangenen 6 Jahren an die 2000 Mail bekommen, die ich alle persönlich beantwortet habe - es waren oft ganz spannende Diskussionen aus denen auch ich sehr viel gelernt habe.

UserInnenfrage per Mail: Ist der Platz nach der ZiB2 ideal für eine Sendung wie das Weltjournal? Oder hätten Sie sich einen anderen Sendeplatz gewünscht?

Franz Kössler: Das Dilemma besteht darin, dass eine spezialisierte Sendung wie das WEltjournal kein sehr breites Publikum anspricht und desshalb in der Gesamtprogrammierung nicht in die Primetime passt - andererseits ist ein so später Termin für Menschen, die am nächsten Tag in die Arbeit müssen, sehr ungünstig. Ich glaube man muss zwischen den beiden Ansprüchen einen Mittelweg finden.

UserInnenfrage per Mail: Waren Sie mit den Weltjournal-Quoten zufrieden?

Franz Kössler: Nein. Wir hätten natürlich gerne sehr viel mehr Menschen erreicht. Aber internationale Politik ist vielen zu verwirrend und kein Medium erreicht damit ein breites Publikum. Es war aber ein Privileg, für ein sehr qualifiziertes Publikum wie das unsere eine anspruchsvolle Sendung machen zu können.

Manfred Bieder: Wieviel Prozent an Geschichten wurden für das Weltjournal von ORF-Teams gemacht und wieviele eingekauft?

Franz Kössler: Wir hatten das Glück durch sehr sparsame Planung sehr viele Geschichten selbst machen zu können. Ich habe die präzisen Zahlen nicht präsent, aber ich würde sagen, dass wir etwa 2/3 selbst produziert haben, einen Teil mit Produzenten mit denen wir eine ständige Zusammenarbeit hatten und einen kleinen Teil von anderen Fernsehstationen eingekauft.

Manfred Bieder: Was waren Ihrer Meinung nach die herausragensten Reportagen des Weltjournals bis jetzt?

Franz Kössler: Das ist schwer zu beantworten, weil wir sehr breit gestreut waren, von sehr politischen Themen über soziale REportagen bis hin zu kurios - bunten Geschichten aus aller Welt. Meine Lieblingsgeschichte war eine Reportage über eine Eisenbahnlinie in Kambodscha, auf der die Bauern mit selbstgebastelten kleinen Zügen herumfahren.

sol: Waren Sie immer schon mehr an internationaler Politik interessiert als an Innenpolitik? Bei den meisten Journalisten ist es ja umgekehrt... Und wie erklären Sie sich das Desinteresse der Menschen an internationalen Themen, gerade wenn wir eben in ei

Franz Kössler: Das hat mit meiner Biographie zu tun: ich bin in Südtirol zwischen zwei Kulturen geboren, war auf einer schweizer Jesuiten Schule, habe dann in Frankfurt und in Florenz studiert, es war immer eine spannende Konfrontation zwischen unterschiedlichen Kulturen und Lebensarten - deshalb war mir die internationale Szene immer viel spannender als die lokale. Und wenn ich mich für Innenpolitik begeistern kann, dann immer noch für die Italienische - trotz Berlusconi.

mürkenwürz: hatten Sie je ein journalistisches vorbild - wenn ja, wer oder welche sendungß

Franz Kössler: Ja natürlich gibt es viele Autoren, die hervorragenden Journalismus gemacht haben und von denen man viel lernen kann. Kisch z.B. oder Kapuszinsky. Aber am Ende muss man doch seinen eingenen Stil finden, der zu seiner eigenen Persönlichkeit passt, und deshalb glaubwürdig ist.

Manfred Bieder: Welche internationalen Gebiete bzw. Themen gehen Ihrer Meinung nach medial unter und sollten mehr beleuchtet werden?

Franz Kössler: Es gibt sehr viele Fachzeitungen, die gute internationale Reportagen und Analysen bringen - für das breite Publikum sind meistens die Themen interessant, die mit großen und aufregenden Ereignissen zusammenhängen und auch sein eigenes Leben beeinflussen. Ich glaube, dass es auch richtig ist so. Da gehen natürlich viele wichtige Themen verloren, aber es wäre auch nicht sinnvoll sie dem Publikum aufzuzwingen, wenn es kein Interesse daran hat.

sol: Welche Auslandsberichterstattung anderer (österreichischer wie internationaler) Medien würden Sie "empfehlen"? Wie lässt sich Qualität trotz Einsparungen halten?

Franz Kössler: Ich versuche nach Möglichkeit und über das INternet einen Blick in die großen internationalen Zeitungen zu werfen - das bietet einen guten EInblick in die unterschiedlichen Zugänge zu internationalen Fragen. New York Times, Le Monde, El Pais, Guardian, Corriere, die Süddeutsche usw. aber es gibt auch in Österreich Zeitungen, die sich um eine kontinuierliche Aussenpolitische Berichterstattung bemühen.

Manfred Bieder: Stichwort Italien: Wieso "überlebt" Berlusconi trotz der vielen Skandale? Welche Rolle spielen dabei die Medien?

Franz Kössler: Sie gehören zu einem großen Teil Berlusconi selbst und machen eine Propaganda, die kaum noch mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung vereinbar ist. Aber das allein erklärt nicht, warum er zum dritten mal zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Offensichtlich ist er der Ausdruck einer SEite Italiens, die wir bisher unterschätzt haben.

to mate: Wie resümieren Sie ein Jahr Obama?

Franz Kössler: Ich glaube immernoch, dass er eine revolutionäre WEnde in den USA darstellt und ein SEgen ist für den Rest der WElt. Dann aber muss ich hinzufügen, dass ich beunruhigt bin über seine Unfähigkeit, sich in dem komplizierten System der amerikanischen Demokratie durchzusetzen. Vielleicht führen die Niederlagen der letzen Woche dazu, dass er jetzt eine entschlossenere Ganganrt einlegt.

gilbmilb: Teilen Sie die Einschätzung, dass sich international das Wiedererstarken des Religiösen fortsetzen wird?

Franz Kössler: Als ein Anhänger der Aufklärung wünsche ich mir, dass jeder Mensch ohne Einschränkung die Religion praktizieren kann, die er mag. Aber es sollte eine private Angelegenheit sein und der Staat sollte sich als sekulare Institution verstehen und diese auch verteidigen. Dennoch bin ich oft dankbar, wenn religöse VErtreter an die Würde des Menschen erinnern, wenn Kommerz und Populismus sie vergessen.

extra dark: Gab es während Ihrer Zeit als Sendungschef jemals politische Einflussnahme auf Themen?

Franz Kössler: Das ist der Vorteil der internationalen Politik, dass sie nationale Politiker kaum interessiert. Im Weltjournal hat es kein einziges Mal einen solchen Versuch gegeben. In früheren Zeiten war ich einmal Chef der Zeit im Bild und dort kann ich diese Aussage nicht treffen.

to mate: Warum gibt es im ORF keine Sendung wie "Mit offenen Karten" auf Arte?

Franz Kössler: Das ist eine Programmentscheidung, die nicht von mir abhängt. Ich möchte aber dazu bemerken, dass Arte kein Broadcasting im traditionellen Sinn ist, sondern auf ein ganz spezifisches kultur Publikum abzielt - es erreicht im deutschsprachigen Raum etwa 1% Zuseher. Dagegen ist das Weltjournal ein Massenprogramm.

UserInnenfrage per Mail: Was halten Sie für die größte herausforderung, mit der der ORF derzeit umgehen muss?

Franz Kössler: Wie alle FErnsehsender ist er mit einer rasant wachsenden Konkurrenz konfrontiert, es gibt immer mehr Spezialprogramme, die publikumssegmente anziehen und in der Summe einen Teil des Publikums abzieht. Die zweite Herrausforderung ist das INternet, dass auch den Zeitungen zu scahffen macht und von dem man noch nicht absehen kann, in welche Richtung es sich entwickeln wird und welche Schnittpunkte sich ergeben werden. Am wichtigsten aber ist es meiner Meinung nach, den demokratiepolitischen WErt der öffentlich rechtlichen Information gegen parteilpolitische Einflussnahme und kommerzielle Konkurrenz zu unterstreichen.

UserInnenfrage per Mail: Macht Herr Wrabetz einen guten Job?

Franz Kössler: Er ist mein Generaldirektor und hat einen extrem schwierigen Job.

UserInnenfrage per Mail: Welche Sendungen im ORF schauen Sie sich an?

Franz Kössler: Ich habe meine journalistische Karriere bei einer kleinen Tageszeitung in ROm begonnen und Tageszeitungen sind meine Leidenschaft geblieben. Ohne sie kann ich schwer leben, den Fernseher schalte ich sehr selten ein.

to mate: Wenn Journalisten Soziale Netzwerke wie Twitter nützen - wie stehen Sie dem gegenüber?

Franz Kössler: Ich glaube, dass das INternet ein sehr großes Potential beinhaltet , ich kann aber persönlich mit diesen kurzen kommunikationsformen wenig anfangen, sie sind mir zu hektisch und zu oberflächlich. Das hängt auch mit dem Alter zusammen: deshalb höre ich jetzt ja auch auf.

UserInnenfrage per Mail: Was raten Sie jungen Journalisten?

Franz Kössler: Ich habe ein sehr konservatives Rezept: ein guter Journalist sollte eine solide Ausbildung in irgend einem Fach haben, bevor er sich mit der WElt der Medien konfrontiert. Je mehr Sprachen jemand spricht desto besser, je mehr Welterfahrung und Neugierde für andere Kulturen, desto besser. Journalismus ist ein Handwerk und muss deshalb auch erlernt sein.

UserInnenfrage per Mail: Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um in der Redaktion des Weltjournals einen Job zu bekommen?

Franz Kössler: Ich habe gerade versucht diese Vorraussetzungen zu definieren. Wenn ich richtig informiert bin, wird es in nächster Zeit jedoch schwierig sein eine Stelle im ORF zu bekommen, weil zur Zeit Personal abgebaut wird.

gilbmilb: Was werden Sie von der ORF-Zeit am meisten, was am wenigsten missen?

Franz Kössler: Am meisten die langen und oft heftigen Diskussionen mit meinen Kollegen in der Redaktion - am wenigsten die Gemeinheiten und Intrigen, die in einem so großen Unternehmen natürlich auch vorhanden sind: ich habe versucht, an ihnen so wenig wie möglich teil zu nehmen.

wasndas: Welchen Ort auf dieser Welt wollten sie schon immer mal besuchen sind aber bis jetzt nicht dazu gekommen?

Franz Kössler: Die Antarktis, ich hoffe ich schaffe es noch bevor sie wegschmilzt...

Captain Nem0: Was waren Höhe- und Tiefpunkte in ihrer langen Journalistenkarriere?

Franz Kössler: Ich hatte das Glück, als Korrespondent die Jahre Gorbatschows in Moskau mit zu erleben, das war spannend. Ich habe die Studentenbewegung am Tien Anmen Platz miterlebt, das war bewegend. Ich habe vor 30 Jahren meine kleine linke Zeitung in Rom verlassen, weil ich verstanden habe, dass die Revolution, die ich dort als Journalist unterstützen wollte, eine Illusion war: das war ernüchternd.

ModeratorIn: derStandard.at bedankt sich bei Herrn Kössler fürs Kommen und bei den UserInnen für die vielen Fragen. Wir wünschen noch einen schönen Tag.

Franz Kössler: Vielen Dank, es war für mich ein großes Privileg hier zu sein und wie immer ein Vergnügen, mit dem Publikum einen Dialog zu führen. Danke für IHre Fragen!