"Ich scheide nach einem Fünftel der Legislaturperiode aus" , sagt Hahn.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Wien - Wenn es ein Wort gibt, das die Antithese zu Johannes Hahn beschreibt, dann ist das "aufgeregt" . Denn wenn der Noch-Wissenschaftsminister mit dem Habitus des unerschütterlich Gelassenen etwas nicht ist und nicht haben will, ist das "Aufgeregtheit" .

Das bestätigt der künftige EU-Regionalkommissar am Freitag in einer kleinen Abschiedsrunde vor Journalisten gleich mehrfach. Da wäre einmal "die täglich mehrfache Aufgeregtheit" , die in der österreichischen Politik mit Hingabe gepflogen werde und die angesichts des "höchsten Niveaus" , von dem aus "griesgrämig" gejammert werde, schon seltsam sei: "Eigentlich müssten wir kollektiv die Welle machen" , sagt Hahn. Dann war da die "Aufgeregtheit" in Brüssel rund um das Kommissarshearing und zu guter Letzt die 13 Wochen währende Suche nach einem Nachfolger für seinen Ministersessel: "Natürlich sind alle aufgeregt, mehr oder weniger."

Vor allem das Geheimkommando Pröll dürfte eher mehr aufgeregt sein, zumal ÖVP-Chef Josef Pröll dem Vernehmen nach sogar den auserwählten Minister in spe erst am Sonntag über dessen neue Funktion informieren will.

Der ministerielle Makel

Hahn dagegen ist an diesem Freitag - umzingelt von Umzugsschachteln und Plastiksackerln, Bücherstapeln, dem berühmten Gummibärchen-Vorrat und einem maritimen Steuerrad, das mit übersiedelt wird - "sehr entspannt" , immerhin habe er doch "einige Impulse setzen können" , etwa das "Sichtbarmachen von Forschung" , aber auch "signifikante Zuwächse beim Budget" für Unis, Forschung, Fachhochschulen und Studienbeihilfen.

Auf der Sollseite des "nicht Geglückten" verbucht der 56-Jährige als "gravierendsten" Makel seiner Bilanz, dass es ihm nicht gelungen sei, "die Herausforderungen des Hochschulbereichs so in die Öffentlichkeit zu bringen, wie es den protestierenden Studierenden gelungen ist" . Aber von einer Baustelle, die er hinterlasse, könne trotzdem keine Rede sein: "Ich scheide nach einem Fünftel der Legislaturperiode aus" , sagt Hahn.

Das tut er, weil seine Vorgesetzten in der Regierung kurzfristig ein Ticket auf seinen Namen umgebucht haben für eine Reise, die ursprünglich Wilhelm Molterer antreten sollte, oder - für den Fall seiner Verhinderung durch die SPÖ - Benita Ferrero-Waldner. Es kam anders. Hahn musste ran.

Er entschärfte als Kleinster-gemeinsamer-Nenner-Kandidat die rot-schwarze Beziehungskrise. Dass er dann das Ressort mit dem zweitgrößten Budget (nach Landwirtschaft) bekam und das Hearing ordentlich über die Bühne brachte, mag ihm eine besondere Genugtuung gewesen sein. Vor allem da der parteiinterne Kommunikationsfluss mit seiner Versetzung nach Brüssel schnell einen großen Bogen um ihn machte.

Und jetzt? Wie viel Liberalität bleibt in der ÖVP, wenn derjenige, der in der öffentlichen Einschätzung als das liberale Aushängeschild oder, je nach Fasson, Feigenblatt der ÖVP firmierte, zumindest innenpolitisch abdankt? Nur nicht aufregen, meint Hahn: "Das deckt jetzt der Parteiobmann selbst ab." Im Übrigen gelte in Abwandlung eines geflügelten Wortes des ÖVP-Altvorderen Andreas Khol, der die Wahrheit als historisch frei flottierende Größe beschrieben hat: "Jede Zeit hat ihre eigene Liberalität." - Und die Nation ab Montag einen neuen Wissenschaftsminister. Falls der Ratschläge vom Vorgänger möchte - er muss nur die Handynummer auf dem Post-it auf dem Schreibtisch im Ministerbüro wählen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 23.01.2010)