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Hillary Clinton: "Staaten, die sich an Cyber-Attacken beteiligen, müssen die Konsequenzen tragen und verurteilt werden."

Foto: APA/EPA/Shelley

Peking reagierte empört. Ein weiterer Konfliktherd trübt das US-chinesische Verhältnis.

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Washington/Wien - Hillary Clinton erschien in eine Warnfarbe gekleidet, fast so, als wolle sie signalisieren: Die Alarmstufe Rot ist erreicht. Und auch der Ort ihrer Rede war mit Bedacht gewählt. Das Newseum, das renommierte Journalismus-Museum mitten im Washingtoner Regierungsbezirk, gilt als der Tempel der freien Meinungsäußerung in den USA. Kein Platz wäre geeigneter gewesen für das, was die US-Außenministerin über die "Freiheit des Internet" zu sagen hatte.

"Länder, die freien Zugang zu Informationen verwehren oder Grundrechte von Internet-Nutzern verletzen, riskieren, sich selber vom Fortschritt des nächsten Jahrhunderts auszuschließen" , erklärte sie. Und: "Staaten oder Einzelpersonen, die sich an Cyber-Attacken beteiligen, müssen die Konsequenzen tragen und sollten international verurteilt werden." Adressaten der Kritik waren explizit Tunesien, Ägypten, Saudi-Arabien, Usbekistan - und vor allem die Volksrepublik China, die seit Wochen mit Google im Clinch liegt. Der Internetgigant drohte Peking, seine Geschäfte in China aufzulösen, sollten Zensurversuche und Hackerangriffe auf seine Suchmaschine nicht umgehend eingestellt werden. Daneben sind auch Facebook, Twitter und Youtube sowie Nachrichtenportale, die kritisch über die kommunistische Volksrepublik berichten, für User in China nicht zugänglich. Clinton forderte von China nun zumindest eine akkurate Untersuchung der Google-Attacken.

Die chinesische Seite reagierte erwartungsgemäß heftig auf die Rede. Der Vorwurf, China schränke die Freiheit im Internet ein, entbehre jeder Grundlage und schädige die Beziehungen zwischen beiden Ländern, sagte ein Sprecher des Außenamtes in Peking am Freitag. "Wir fordern die Vereinigten Staaten auf, die Tatsachen anzuerkennen und die sogenannte Freiheit des Internets nicht weiter zu grundlosen Anschuldigungen gegen China zu nutzen."

Der Google-Streit ist nicht das erste Mal, dass Peking und Washington einander im Cyberspace in die Haare geraten. Die USA haben die Chinesen im Verdacht, Hackerattacken unter anderem auf US-Flugzeugträger und Kraftwerke sowie Stromnetze unternommen zu haben. In Florida soll ein Computerspezialist der Volksarmee beim Spionieren versehentlich das Netz im Süden des Bundesstaates heruntergefahren haben, drei Millionen Haushalte waren ohne Strom. Als der chinesische Computerriese Lenovo 2005 IBM übernahm, stornierte das Pentagon Computerbestellungen aus Furcht, es könnten Spionagefunktionen in die PCs eingebaut sein. Inzwischen hat die US Air Force ein eigenes Cyberspace-Kommando eingerichtet, das gegen solche "asymmetrischen Attacken" vorgehen soll. Für die Abwehr allgegenwärtiger Wirtschaftsspionage im Netz müssen die US-Firmen dagegen selber sorgen.

Mit dem Thema bricht ein weiteres US-chinesisches Konfliktfeld auf, das die allgemeine politische Atmosphäre zwischen beiden Staaten weiter eintrüben könnte. US-Waffenexporte nach Taiwan, die Tibetfrage und diverse Handelsstreitigkeiten belasten das Verhältnis ebenso wie zuletzt die unnachgiebige Haltung Chinas in Fragen der Klimapolitik.

Einige China-Experten in den USA befürchten, dass die neue Eskalationstaktik des Außenministeriums nach hinten losgehen und die Fronten nur weiter verhärten könne. Andere stufen den Streit angesichts der Fülle der bilateralen Probleme als nachrangig ein. Chinas Führung zensurierte sich indes merkwürdigerweise selber: Sie ließ allzu harsche Kritik von Zeitungen und Websites an Clinton vorsorglich verschwinden. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2010)