Foto: DER STANDARD

Pädagogen warnen: Kinder sind oft überfordert.

Foto: DER STANDARD/Andy Urban

Internet in der elterlichen Wohnung ist längst eine Selbstverständlichkeit geworden: 86 Prozent der österreichischen Kinder zwischen sechs und 14 Jahren haben Internetzugang, schon 29 Prozent der unter acht Jahre alten Kinder nutzen den Zugang mindestens einmal pro Woche, jedes zehnte Kind in dieser Altersgruppe hat sogar einen eigenen PC oder Laptop.

Das geht aus einer im Sommer 2009 durchgeführten Studie des Linzer Market-Instituts hervor. Dessen Chef Werner Beutelmeyer konstatiert einen starken Wandel in den Lebenswelten der Kinder - und parallel dazu einen Wertewandel bei den Erziehungszielen.

Wie die Grafik (links) zeigt, haben die traditionellen Erziehungsziele, nach denen die heutigen Erwachsenen noch selber erzogen wurden, an Bedeutung verloren. Zu Bescheidenheit und Zurückhaltung, zu Unterordnung und ordentlicher Arbeit zu erziehen hat heute nicht mehr die Bedeutung von früher.

Kindliche Mitsprache

Selbständigkeit dagegen wird immer wichtiger. Für 68 Prozent der Erwachsenen ist sie das wichtigste Erziehungsziel. Und tatsächlich wird das in vielen Familien auch so gelebt: Aus der Market-Kinderstudie 2009 geht hervor, dass viele Kinder über ihren Lebensbereich mitentscheiden können oder gar ganz allein wählen dürfen.

Und da geht es nicht nur um die Wahl von Eissorten: 21 Prozent der 13 bis 14 Jahre alten Kinder entscheiden ganz allein, welcher Computer gekauft wird.

47 Prozent der österreichischen Kinder können mehr oder weniger stark Einfluss darauf nehmen, wohin es im Urlaub geht. Und nur bei 38 Prozent wird die Schulwahl allein von den Eltern getroffen.

"Zuhören" steht auch ganz oben auf der Liste der Verhaltensweisen, die Eltern von sich selber erwarten, wenn man sie befragt, wie man mit Kindern umgehen sollte. Das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) hat das getan und 1613 Mütter und 251 Väter um Auskunft über ihr Erziehungsverhalten gebeten.

Vor allem die Mütter sagen, dass sie versuchen, ihren Kindern Selbständigkeit zuzutrauen - ein Erziehungsverhalten, das unmittelbar nach "zuhören", "liebevoll sein" und "wertschätzend sein" genannt wird. Die meisten Eltern sagen dann auch, dass sie ihren Kindern auch mit jener aufmerksamen Haltung begegnen, die sie selber als wichtig angeben.

Allerdings zeigt die ÖIF-Studie auch, dass das nicht immer gelingt: Es gibt auch Eltern, die sich als unsicher, aufbrausend und gereizt erleben. Die Autorinnen der Studie "Eltern zwischen Anspruch und Überforderung", Doris Klepp und Sabine Buchebner-Ferstl, haben festgestellt, dass bei etlichen Eltern eine hohe Diskrepanz zwischen ihren Vorstellungen und dem eigenen Verhalten besteht. Die betreffenden Eltern würden gerne anders erziehen, als sie es tun - sie sind aber nach eigener Einschätzung zu wenig geduldig und gelassen, sie empfinden sich selbst als zu aufbrausend und gereizt. Sie schreien zu viel herum und haben andererseits zu wenig Zeit für ruhige Gespräche.

"Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der erlebten Diskrepanz und der wahrgenommenen Überforderung in der Erziehung", schreiben die Autorinnen. So geben vor allem die Mütter an, dass sie ihre Kinder manchmal anschreien, obwohl sie dieses Verhalten eigentlich ablehnen. Und auch Klaps und Ohrfeige sind als Erziehungsmittel, obwohl geächtet, noch nicht ganz verschwunden, wie meist zerknirschte Eltern zugegeben haben.

Marktforscher Beutelmeyer geht dennoch davon aus, dass der demokratische Erziehungsstil von einer breiten Mehrheit der Eltern erfolgreich praktiziert wird.

Erfolgreiche Erziehung führt offenbar auch zu zufriedenen jungen Menschen. Bei einer ebenfalls im vergangenen Sommer durchgeführten Jugendstudie des Market-Instituts erklärten sich besonders die 15 bis 18 Jahre alten Befragten mit ihrer Lebenssituation sehr zufrieden. Und obwohl die "Sekundärtugenden" nicht mehr so weit oben auf dem Erziehungsplan stehen, bekunden die jugendlichen Befragten hohes Interesse an Schule, Studium und Beruf. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 23./24. Jänner 2010)