Nach der demokratischen Wahlniederlage in Massachusetts scheint die Regierung Obama endlich einen entscheidenden Schritt gegen Amerikas Bankeliten zu erwägen. Die Vorschläge von Ex-Fed-Chef Paul Volcker zur Beschneidung der Banken-Marktmacht werden wieder abgestaubt.

Bisher war die Geschichte ein Sieg für die großen Banker, seit im Frühjahr 2009 den gesünderen erlaubt wurde, Mittel des Rettungspaket des Finanzministeriums zurückzuzahlen. Damit kamen sie den ohnehin sehr schwachen Beschränkungen aus, die ihnen bei Boni auferlegt wurden.

Normalerweise, wenn eine Branche in eine Krise schlittert, sind Einschnitte angesagt. Selbst wenn sich Pech mit Inkompetenz paart, muss das Management gehen, soll ein Unternehmen vom Staat gerettet werden. Das US-Finanzministerium hat dies wiederholt verlangt, auch mit IWF-Hife, wenn andere Staaten in Schwierigkeiten kamen.
Nur bei der US-Finanzindustrie ist gar nichts passiert. Die meisten großen Banken gibt es weiterhin, ihre Risikopraktiken haben sich kaum geändert, und schon gar nicht ihre Bezahlung. Warum war die Regierung so zurückhaltend? Die Furcht vor dem Zusammenbruch spielte eine Rolle, und die enge Verflechtung zwischen politischer und finanzieller Elite.

Jedenfalls wurde die Chance zur Reform verpasst; die Maßnahmen wirkten und die Banken verdienen wieder Geld, sogar mehr als vor der Krise. Die Regierung machte im Sommer einen schwachen Reformvorschlag, der heftig bekämpft wurde. Die Anfang 2010 vorgeschlagene Bankensteuer würde nur ein Prozent der Gewinne ausmachen.

Es ist kein Wunder, dass sich die Banken widersetzen. Denn in guten Zeiten können sie den Rahm abschöpfen, in schlechten Zeiten den schwarzen Peter dem Steuerzahler zuschieben. Das begünstigt exzessive Risiken und verkürzt die Boom-Bust-Zyklen.

Aber jetzt ereilt die Regierung doch noch Reformeifer. Der Volcker-Vorschlag würde Banken verbieten, mit Kunden-Einlagen auf eigene Rechnung zu spekulieren, ein Verbot, das nach der Depression eingeführt, später verwässert und 1999 abgeschafft wurde. Das machte den Weg für riskante Hypothekenpapiere frei.

Obama muss weiter gehen. Erstens sollten die Eigenkapitalerfordernisse verdreifacht werden, auf 20 bis 25 Prozent Kernkapital. Damit käme den Aktionären künftig eine führende Rolle dabei zu, die Banken zur Vernunft zu bringen. Zweitens, wenn Banken „too big to fail" sind, müssen sie geschrumpft werden, damit sie nicht in jeder Krise der Steuerzahler retten muss.

Obama tut recht daran, die Samthandschuhe im Umgang mit den sechs größten US-Banken auszuziehen. Die Konzentration von Wirtschaftsmacht, erklärte Teddy Roosevelt schon vor mehr als 100 Jahren, führt zu politischer Macht, was die Demokratie aushöhlt. Jetzt kann man sehen, dass sie auch schlechte Wirtschaftspolitik ist. (@Project Syndicate 2010; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.1.2010)