Bei der Suche nach Modellen, wie die Banken an den Kosten der Weltwirtschaftskrise beteiligt werden können, gerät Schweden ins Zentrum des Interesses. Sogar Obamas Experten erkundigten sich in Stockholm.
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Wien/Stockholm - Der Beamtin im schwedischen Finanzministerium ist es etwas peinlich, aber leider, trotz all der Anfragen habe noch niemand das Gesetz über die schwedische Bankenabgabe übersetzt. Dabei könnte sich das Modell als Stockholms neuester Exportschlager erweisen.
Nachdem US-Präsident Barack Obama vergangene Woche vorschlug, eine Bankensteuer einzuführen, hat die Debatte darüber, wer die Zeche für die Wirtschaftskrise bezahlen soll, wieder an Fahrt gewonnen. Obamas Experten sind auf der Suche nach Ideen in Stockholm fündig geworden.
Schweden hat im Oktober 2008 einen "Stability Funds" geschaffen. Der Fonds wird von der Staatsschuldenbehörde verwaltet und soll die Kosten künftiger Krisen abfedern. Gespeist wird er - und hier liegt der springende Punkt - aus einer Bankenabgabe.
Jährliche Gebühr
Jede Bank in Schweden muss einmal jährlich eine "Gebühr" von 0,036 Prozent auf die in den Bilanzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten einzahlen. 2009 und 2010 wird wegen der angespannten Lage an den Finanzmärkten nur der halbe Steuersatz fällig. Auch der Staat schießt Geld zu: So hat die schwedische Regierung ihre bisherigen Einnahmen aus dem Bankenhilfspaket (Zinsen für Garantien) und eigene Bankaktien in den Fonds eingelegt.
Ziel ist es, in dem Fonds eine Summe zusammenzubekommen, die 2,5 Prozent des schwedischen Bruttoinlandsproduktes entspricht. "Die Kosten der Finanzkrise liegen meist bei drei bis vier Prozent des BIP, künftige Krisen könnten wir mit dem Geld gut abfedern", sagt die Stockholmer Finanzbeamtin dem STANDARD.
Auch wenn sich die Amerikaner in Stockholm erkundigt haben, unterscheidet sich der Obama-Plan vom schwedischen Modell. Obama will eine höhere Steuer (0,15 Prozent), dafür soll sie nur zehn Jahre gelten und nur bei größeren Banken eingehoben werden. Die schwedische Abgabe läuft dagegen unbegrenzt und gilt für alle Kreditinstitute.
Auch der Zweck der Bankenabgaben ist ein anderer. Obama will sie, um für die Bankenhilfe ausgegebene Steuergelder zurückzubekommen. Schweden schafft dagegen einen Krisenfonds für die Zukunft. Bei näherer Betrachtung, gibt es freilich weniger Differenzen: Auch der schwedische Staat kann die Bankenabgabe fürs Budget nutzen, im Notfall müsste er Anleihen begeben.
Baltikum-Engagements belasten
Am schwedischen Modell gibt es auch Kritik. Für alle Banken gilt derselbe Abgabensatz. "Ob eine Bank hochriskant agiert, ist unwichtig, das könnte sich als Fehler erweisen", sagt der Ökonom John Hassler. Die Regierung prüft daher, wie das Risiko in die Prämienhöhe einfließen kann. Banken könnten sich auch in falscher Sicherheit wiegen; im Notfall werden sie ja aufgefangen. "Wir haben allen klargemacht: Auch wenn wir eine Bank retten, werden die Aktionäre nichts erhalten", heißt es aus Stockholm. Und das "too big to fail"-Problem wird nicht angegangen. Schwedens Großbanken, besonders Swedbank und SEB, belastet besonders ihr Engagement im Baltikum.
Klar profitieren konnte die Regierung unter Premier Fredrik Reinfeldt von der Abgabe bisher nicht. Jüngste Umfragen sehen Reinfeldts Konservative abgeschlagen hinter den Sozialdemokraten. Im Herbst wird gewählt. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.1.2010)