Frankfurt/Main - Im Alleingang stellen die USA scharfe Regeln für Banken auf. Kleiner sollen die Institute nach dem Willen von US-Präsident Barack Obama werden und weniger jener Risikogeschäfte machen, die das Finanzsystem weltweit an den Rande des Abgrunds brachten. Doch viele Experten bezweifeln, dass Obamas Vorstoß die weltweit vernetzte Branche auch nur einen Deut sicherer machen wird. Im Gegenteil: Banker und Ökonomen befürchten, dass der Finanzplatz USA so geschwächt wird, dass gar das Wirtschaftswachstum leiden wird.

Für die Europäische Union gab EU-Währungskommissar Joaquín Almunia Entwarnung: Die EU brauche keine Zügelung der Banken nach US-Vorbild. Obamas Vorstoß sei mehr als angebracht, aber in der EU nicht nötig, sagte Almunia am Freitag in Brüssel.

"Hilfreicher Impuls"

Das deutsche Finanzministerium erklärte immerhin, Obamas Initiative sei ein hilfreicher Impuls für die Reform der Finanzmärkte. Es sei aber zu früh, darüber zu spekulieren, ob so weitreichende Schritte auch für Deutschland infrage kämen.

Die deutsche Finanzbranche reagierte jedenfalls sehr skeptisch. "Ich glaube nicht, dass man mit einfachen Eingriffen in die Finanzarchitektur das Systemrisiko schmälert", urteilt der Frankfurter Bankenprofessor Jan Pieter Krahnen. "Das weltweite Geflecht der Verbindlichkeiten und Forderungen bleibt." Obama strebt an, das Investmentbanking - wozu klassisch etwa Eigenhandel und die Beratung bei Fusionen zählt - stärker von restlichen Geschäften zu trennen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte sich bereits vor der Obama-Rede kritisch geäußert: "Ich glaube, dass Vorschläge zur Aufspaltung von Banken oder zur Begrenzung ihrer Größe oder ihrer Geschäfte in die falsche Richtung gehen."

Mehr Risiko im Kerngeschäft

Lutz Raettig, Aufsichtsratschef der US-Bank Morgan Stanley in Deutschland, warnt: "Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist: Je spezieller eine Bank ausgerichtet ist, umso eher gibt es Klumpenrisiken." So war zum Beispiel die US-Bank Lehman Brothers eine reine Investmentbank. Lehman kollabierte im September 2008 und riss weltweit Banken und Versicherer mit in den Abwärtsstrudel. Dirk Müller-Tronnier, Bankenexperte von Ernst & Young, gibt zudem zu Bedenken: "Der Markt wird sich noch stärker verengen, wenn mehr Konzentration auf das klassische Bankgeschäft verlangt wird." Das könne einzelne Institute zu mehr Risiko im Kerngeschäft anstacheln.

Obamas zweite Forderung: Kein Geldhaus dürfe mehr so groß werden, dass sein Kollaps die ganze Volkswirtschaft in Gefahr bringen würde. "Niemals wieder soll der amerikanische Steuerzahler die Geisel einer Bank sein, die zu groß ist, um zu scheitern", polterte Obama am Donnerstag. Branchenkenner halten jedoch auch die Debatte um die Größe von Banken für verfehlt. In der Finanzkrise der Jahre 2007/2008 etwa kamen ganz unterschiedliche Institute unter die Räder: die Citigroup als weltgrößte Bank ebenso wie die kleinste deutsche Landesbank, die SachsenLB, der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) ebenso wie die Mittelstandsbank IKB. "Man kann also auch nicht behaupten, dass nur eine Art von Geschäftsmodell versagt hat", bilanziert ein Banker. Zudem hätten Großbanken ihre Berechtigung - etwa als Abwickler von grenzüberschreitenden Geschäften.

"Beziehungsnetze sichtbar machen"

"Statt auf die schiere Größe von Banken abzustellen, sollten die Regeln und die Beaufsichtigung weltweit darauf ausgerichtet werden, Marktentwicklungen und Vernetzungen besser zu erkennen und gegebenenfalls einzugreifen", fordert der geschäftsführende Vorstand des Privatbankenverbandes BdB, Manfred Weber, in einer schriftlichen Mitteilung. Für eine globale Risikolandkarte hatte sich im vergangenen Jahr die Issing-Kommission ausgesprochen, die für die Bundesregierung Vorschläge zur Reform des Finanzsystems erarbeitete. Das Netz der Beziehungen großer Finanzakteure und damit verbundene Risiken müssten sichtbar gemacht werden - zumindest für die Aufsicht.

Kommissions-Mitglied Krahnen bekräftigt angesichts der Obama-Vorschläge: "Beim Klima sagen wir ja auch nicht: Wir müssen jetzt die Luft in Frankfurt oder Mannheim verbessern. Wir brauchen einen gemeinsamen Ansatz." Fachleute mahnen zudem, auch für die Geschäfte der Banken untereinander Großkreditgrenzen einzuführen wie es bei Unternehmenskrediten längst üblich ist.  (APA)