Ein Mann spaltet Österreich, ein Gewürz wird Legende: „Chili“ forever! Völlig hypnotisiert starrt die ganze Nation täglich, stündlich auf Quotenstatistiken und fragt: Wird Dominic Heinzl heute die 200.000-Besucher-Schwelle schaffen? Wenn nein: Was bedeutet das für die Zukunft von Dominic Heinzl? Wenn ja: Ist für den ORF eine Zukunft ohne Dominic Heinzl überhaupt noch denkbar? Der Sendeplatz-Kampf zwischen Jay Leno und Conan O’Brien in den USA scheint eine Lappalie gegen die Fragen, wie scharf „Chili“ sein müsste, oder ob Heinzl, den sogar die Stadtzeitung Falter aufs Cover hievte, wirklich „kein Arschloch!“ ist. Oder ob er, wie er anderswo sagte, gerne über eine Scheidung von Fiona und Karl-Heinz berichten würde. Hätte man solche Fragen vor wenigen Jahren noch in einem Kabarett-Programm in derartiger Ausführlichkeit ausgewalzt: Das einschlägige Publikum hätte sich zerkugelt vor Lachen.

Na gut, aber vor wenigen Jahren meinte man ja auch schon, dass der absolute Tiefpunkt erreicht sei, wenn sich einheimischer Boulevard ausschließlich für Demi Moore als Covermodel interessiert oder Kulturjounalisten nur mehr Anna Netrebko, Werner Schneyder und Gert Voss interviewen oder der Promigeschmack eines Wiener Baumeister die Brisanz des Opernballs bestimmt. Früher hat man noch gegen den Opernball demonstriert. Heutzutage wird der jeweilige Lugner-Gast fast überall medial hofiert. Und mögen auch alle darüber leiden: Alle machen weiter und demonstrieren bestenfalls amüsierte Fadesse.

Einmal mehr gilt: Jedem Land die Populärkultur und die Unterhaltung und, ja, auch die Gesellschaftskritik, die es verdient. Der ehemalige Chefredakteur des Standard , Gerfried Sperl, durchaus betroffen über die heimische Politik- und Medienlandschaft, die er schon früher gerne als „verludert“ beschrieb – sah in seiner jüngsten Kolumne letzte oppositionelle Hoffnung im Lande in Kabarettisten, die er früher einmal mit ziemlicher Sicherheit als Proponenten der „Verluderung“ kritisiert hätte. Und er schlug dabei durchaus auch in die Heinzl-Kerbe: Alfons „dies ist ein verschissenes Land, aber bitte lasst mich den nächsten Opernball moderieren“ Haider zum Beispiel gilt nun also als kritischer Kopf. Und Robert „Wir sind Kaiser“ Palfrader: Er habe in einer Sendung „Straches Lachen zum Gefrieren gebracht“...

Gut, da haben wir auch kurz kritisch gelacht, aber nach längerer Beobachtung ist vor allem unser Lachen gefroren. Palfrader, der im übrigen jetzt auch Dominic Heinzl in seinen Audienzsaal berufen hat, gelang es nämlich realiter vor allem, Strache die Rolle seines bisherigen Lebens und Wirkens ausstellen zu lassen: Den perfekten Untertan und Höfling, der, wenn er den Audienzsaal verlassen hat, am nächsten Biertisch wieder den eigentlichen Chef herauskehren wird.

Man frage einmal bei Strache-Wählern nach, ob Palfrader ihn wirklich demontiert hat: Keine Spur, wird man da zu hören kriegen, der FP-Chef hat einfach nur Humor und Selbstironie bewiesen. Und wer jetzt beweisen will, dass das Strache-Bild rissig wird, dem geht‘s wahrscheinlich wie jenen Meinungsforschern der Kleinen Zeitung, die vor dem FPK-Parteitag voraussagten, dass Scheuch und Co. demontiert werden. – Mit Opposition und erst recht mit Kritik hat das genauso wenig zu tun, wie Alfons Haiders Auftritt bei „Willkommen, verschissenes Land“ oder Heinzls mokante Äußerungen über jene Scheinprominenten, die sich so gerne von ihm auf die Schaufel nehmen lassen – nicht zuletzt, wenn Heinzl davon ablenkt, dass zur selben Zeit im Nebenkanal bei der ZiB wirklich schmutzige Wäsche präsentiert wird. Derlei Hofnarretei kann man bestenfalls unter „systemerhaltende, kurzfristige Abwechslung“ verbuchen, in einem Netzwerk, das private Überheblichkeit zum gesellschaftspolitischen Programm gemacht hat.

Man muss daraus auch gar nicht ableiten, dass Dominic Heinzl sich nicht doch noch aus diversen Quotenlöchern herausarbeiten wird. Im Gegenteil: Fleißig ist er ja, und Kontakte zu News hat er. Mit dem Michael Jeannée von der „Krone“ kann er gut, und „Arschloch“ ist er, wie er am Falter-Cover sagen darf, auch keins. Aber wie einem der Hausverstand so was von rein gar nicht sagen kann, dass eben dieser Dominic Heinzl, der kurzfristig überall als letztmöglicher Retter des ORF gefeiert wurde, kein Parade-Lieferant für junge Publikumsschichten ist – das verstehe, wer will.

Dass ORF-General Alexander Wrabetz Heinzl nicht nur engagiert, sondern ihm auch eine aufwändige Produktionsstruktur ermöglicht hat: Daraus sprechen das Gespür und auch die Verzweiflung eines Krisenmanagers, der sich im Qualitätssegment nichts mehr traut und den vielleicht nur noch wenige Gedankenschritte davon trennen, auch Katrin Lampe als kritischer Beobachterin von Defiziten in der Agrarwirtschaft („Bauer sucht Frau“) eine öffentlich-rechtliche TV-Karrierezu ermöglichen. Mit Programmreform hat das rein gar nichts zu tun. Es erinnert eher an einen heillos verschuldeten Casino-Gambler, der mit letzter Verzweiflung und leeren Taschen auf irgendeine Zahl setzt, damit sich zumindest irgendetwas tut. Und wenn’s nur weh tut.

Und? Alternativen in Sicht? Als „Experiment“ präsentierte die Süddeutsche Zeitung in ihrer jüngsten Magazin-Beilage: Österreichische Künstler und Intellektuelle sitzen im Kaffeehaus und reden dabei über Gott und die Welt, vom Mittag bis nach Mitternacht. Dass dabei wenig mehr herauskommt als belustigende Ausführungen zum Thema „Handy und Parkgebühren in der Innenstadt“, das soll uns jetzt nicht weiter bedrücken, weil: Alles eine Frage der Tagesform und nächste Woche ist im Café Engländer debattentechnisch sicher wieder einmal die Hölle los.

„Gerettet“ hat uns wieder das Kabarett. Es war Florian Scheuba, der auf die Frage „Kärnten tut ihrem Programm gut?“ meinte: „Eigentlich muss man froh sein, dass es so viele Missstände gibt. Sonst hätten wir nicht so viel zu reden. Aber wünschen tu ich mir das nicht.“ Schon in der Volte vom „eigentlich froh sein müssen“ zum „es sich aber nicht wünschen“ liegt eine gewisse Verdrehtheit und Gewundenheit, die an den TV-Kaiser Robert Palfrader erinnert, wie er angesichts eines über ihn unfassbar amüsierten H.-C. Strache kurzerhand simulierte, was das heißen kann: Im Erdboden versinken. Und nächste Woche unterirdisch weitermachen. (Claus Philipp, DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2010)