Makler Ehlmaier: Das Weinviertel ist nicht New York.

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Die Thesen des Yale-Ökonomen Robert J. Shiller aus der Sicht eines Praktikers.

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Die erst langsam abklingende Wirtschaftskrise ist zu einem beliebten Spielfeld für Experten geworden, die mit teilweise höchst eigenwilligen Thesen die neue, nicht mehr so schöne Welt erklären wollen. Ein Musterbeispiel dafür lieferte die kürzlich im Rahmen der Standard -Serie zur "Zukunft des Kapitalismus" erschienene Analyse von Robert J. Shiller, Professor für Wirtschaftswissenschaften in Yale. Seine Grundthese: Die Immobilienpreise, insbesondere die Wohnungspreise, werden lange nicht mehr steigen, denn in der globalisierten Welt gibt es genug Grund und Boden. Prof. Shiller bezieht dies undifferenziert auf den globalen Immobilienmarkt.

Sollte diese These nicht ausschließlich im Elfenbeinturm entwickelt worden sein, dann wohl anlässlich einer Fahrt durch die endlosen Weiten des amerikanischen Westens oder durch die ewig gleichen Suburbs der US-Großstädte. Dort mag Shillers These tatsächlich stimmen, denn auch neben der 100. Häuserzeile kann immer noch eine weitere angehängt werden und die Grundstücke werden nicht zum knappen Gut werden.

Aus dieser sehr speziellen Situation Erkenntnisse für die weitere Preisentwicklung auf dem weltweiten Immobilienmarkt oder zumindest dem Wohnungsmarkt herleiten zu wollen, ist aber völlig verfehlt.

Es gibt zwar tatsächlich genug Platz auf der Welt, aber wo ein Großteil der Bevölkerung ihrer Arbeit wegen leben muss, also in den Ballungszentren, und will, nämlich in Lagen mit guter Infrastruktur und möglichst nahe am Zentrum, sind Immobilien geradezu der Prototyp eines knappen Gutes, dessen Wert von Angebot und Nachfrage und nicht von den Herstellungskosten abhängt.

Das wird sich auch nicht ändern, sondern alles spricht dafür, dass sich die Bevölkerungskonzentration weiter verstärkt. Die Menschen ziehen nicht aus der Stadt aufs Land, sondern aus den Dörfern und Kleinstädten in die Metropolen, seien es nun Bombay, Moskau oder Wien. In kleinen Orten mit stabiler oder sinkender Bevölkerungszahl mag der Wert einer Immobilie tatsächlich im wesentlichen den aktuellen Neubaukosten entsprechen, für Wien oder auch Salzburg oder Innsbruck wird das hingegen kaum jemals der Fall sein.

Der (steigende) Wert des Faktors Grund und Boden ergibt sich aus der Logik des Markts und aus den Wohnbedürfnissen: Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Standort als Entscheidungsfaktor für die Wahl der Wohnung an Bedeutung verliert - eher ist das Gegenteil der Fall:

Urbanität gewinnt an Bedeutung, kurze Wege, Nähe zu kulturellen Einrichtungen, Freizeitangeboten, Freundeskreis etc. sind entscheidende Faktoren für unsere Lebensqualität geworden. Daher beeinflussen auch tausend neue Wohnungen am Leberberg die ungleich höheren Wohnungspreise in der nur wenige Kilometer entfernten Josefstadt überhaupt nicht.

Wunschdenken

Nicht nachvollziehbar ist auch, wenn Shiller behauptet, dass der Bau von Hochhäusern zur Verbilligung des Wohnraums beiträgt. Hochhäuser sind aus technischen Gründen immer sehr teuer und werden überhaupt erst wirtschaftlich sinnvoll, wenn die Knappheit von Grund und Boden für entsprechend hohe Liegenschaftspreise sorgt.

Aus diesem Grund stehen auch in New York mehr Hochhäuser als im Weinviertel und auch der "Rekord-Wolkenkratzer" Burj Khalifa in Dubai wurde nicht gebaut, weil der Scheich seinen Mitbürgern endlich den Traum vom billigen Wohnen erfüllen wollte.

Solange das Konzept der Stadt mit gemeinsamer, im wesentlichen nach dem Zentrum ausgerichteter Infrastruktur Gültigkeit hat, werden Immobilienpreise maßgeblich von der Lage abhängen und Grund und Boden werden in den Ballungszentren mittel- und langfristig knapper und teurer werden. Dafür sorgen Angebot und Nachfrage und nicht wie Shiller in der Tradition staatskritischer US-Ökonomen behauptet, übles staatliches Handeln, das zu einer künstlichen Verknappung führt.

Möglicherweise trauriges, aber der ökonomischen Realität geschuldetes Fazit: Shillers These, die darauf hinausläuft, dass Grund und Boden in Zukunft weniger wert sein werden, weil es ja so viel davon gibt, ist ein akademisches Konstrukt und sein Versuch, eine alles über einen Kamm scherende Diagnose zu geben, sozusagen eine "Weltformel" zu finden, daher von vorneherein zum Scheitern verurteilt. (Makler Ehlmaier, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2010)