Der russische Staatskonzern Gasprom büßt als Folge des Flüssigasbooms Marktanteile in Europa ein. Im Vorjahr ist die Abnahme von russischem Gas aus langfristigen Lieferkontrakten im Vergleich zu 2008 um zwölf Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig hat Europa um 18 Prozent mehr Flüssiggas importiert. Aber auch Lieferantenländer wie Katar, Australien, Indonesien, Nigeria und Jemen konnten im Gegensatz zu Russland in Europa mehr absetzen als bisher.
Gasprom ist nun sogar bereit, seine Vermarktungsstrategie zu ändern. Bei der heute, Montag, stattfindenden Aufsichtsratssitzung des Gasriesens sollen Maßnahmen ergriffen werden, um die Konkurrenzfähigkeit des russischen Gases zu erhöhen. Es wird laut der russischen Wirtschaftszeitung RBC Daily überlegt, die Volumen der sogenannten Take-or-pay-Verträge zu reduzieren, den Verkauf von russischem Gas auf dem Spot-Markt einzuschränken und die Preise an einem Gasindex auszurichten. Zu Zugeständnissen bei der Preisgestaltung ist Gasprom aber nicht bereit.
In den Take-or-pay-Verträgen wird der Importeur verpflichtet, eine bestimmte Menge Gas zu einem vereinbarten Preis abzunehmen. Wird weniger abgenommen, fallen Strafzahlungen an. Gasprom verhandelt mit seinen europäischen Kunden, die sich 2009 mit billigerem Spot-Gas eindeckten und weniger russisches Gas abnehmen, über Strafzahlungen.
Die Zunahme von Flüssiggas, auch Liquified Natural Gas (LNG) genannt, und Schiefergas auf dem europäischen Markt, sowie der Nachfragerückgang aufgrund der Wirtschaftskrise hat den Gaspreis auf dem Spot-Markt 2009 zum Fallen gebracht. So musste etwa Deutschland im Dezember für russisches Gas eineinhalbmal so viel zahlen wie auf dem Spot-Markt. Diese Preisdifferenz wird nach internen Unterlagen von Gasprom bis 2012 bestehen bleiben.
Russland hat im Vorjahr erstmals seine Führungsrolle als weltweit größter Gasförderer an die USA verloren. 2009 hat die Gasförderung in den USA dank der Erschließung von Schiefervorkommen um 3,7 Prozent auf 624 Mrd. m3 zugelegt. In Russland ist die Förderung dagegen um 12,4 Prozent auf 582,3 Mrd. m3 gesunken. (Verena Diethelm aus Moskau, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2010)