Mozarts "Idomeneo" bei der Salzburger Mozartwoche als opulente Ballettabhandlung über Krieg und Frieden

Foto: Mozartwoche

Salzburg - Ganz schön voll geräumt die Bühne im Haus für Mozart: Eine aufspaltbare, mobile Tribüne (Bühnenbild: Pierre-André Weitz) ist zu bestaunen, unter der zunächst die Trojaner, hier als afrikanische Flüchtlinge gedacht, drangsaliert werden. Auf der Tribüne selbst steht der Minientwurf einer Stadt, die noch nicht fertig errichtet ist. Noch grübelt "Architekt" Idamante, noch entwirft und verwirft er.

Als wär dieser Anblick nicht üppig genug, und böte die Tribüne nicht mit über den Boden ragenden zwei Ebenen reichlich optische Reize und Möglichkeit, soziale Hierarchien sinnvoll darzustellen, schwebt immer wieder auch ein Vorhang aus Spiegeln herab, in dem sich diese Geschichte um schlechte Geschäfte mit Göttern verstricken kann. Schließlich: Hier ein kleines Kriegsschiffchen, dort Neptuns Rösser als Statuen. Ein Opernfest für die Augen.

Es ist natürlich nicht leicht, den Formen dieser Mozart-Oper szenisches Leben einzuhauchen. Da braucht es belebende Ideen. Leider jedoch kann hier auch die üppigste Optik, in der sich die Protagonisten regelrecht verstecken könnten, nicht kaschieren, dass Regisseur Olivier Py nur in seltenen Augenblicken aus der statuarischen Behandlung der Figuren auszubrechen imstande war.

Am beiläufigsten kommt dabei die Figur des Neptun über die Rampe, die hier auch als Orakel fungiert (routiniert Luca Titoto): Ein eher sinnlos herum stolzierender, weil von der Regie nie zwingend eingesetzter Beobachter ist das; und auch jene Menschenfiguren, die er begutachtet, wirken selten konzis gestaltet. Das alles jedoch wird durch die musikalische Qualität der Produktion gänzlich aufgewogen: Hervorragend Yann Beuron (als Idamante), grandios Richard Croft (als Idomeneo), delikat Sophie Karthäuser (als Ilia), intensiv (trotz Verkühlung) Mireille Delunsch (als Elettra) und tadellos Julien Behr (als Arbace).

Es wäre natürlich auch das Ballett zu erwähnen: Es scheint alle Idee samt szenischem Leben absorbiert zu haben. Und wenn am Ende in Tanzform die ganze Idomeneo-Geschichte noch einmal erzählt wird und Tribünenteile eine eigenen Bewegungschoreografie zelebrieren, dann wird nicht alles, aber manches gut.

Dass man diese Koproduktion der Mozartwoche mit Aix-en-Provence und Bremen mitunter gleich für den Festspielsommer engagieren wollte, hängt aber mit den Vorgängen im Orchestergraben zusammen. Der fulminante Marc Minkowski und seine Musiciens du Louvre berücken als Meister der vielgestaltigen Akzente. Zwischen brutalem Akkordeinsatz und zierlichster Lyrik haben sie eine Unzahl an sinnvollen Zwischenstufen des Klangausdrucks und der Phrasierung anzubieten. Und bescheren den Ohren ein akustisches Abenteuer, das bis zur letzten Note anhält. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.1.2010)