Der beste Weg hinein ist für manche oft das Fenster. Auf diesem Weg besteigt der letzte Mann, ein Techniker, den Black Hawk, der einen Trupp Journalisten vom niederösterreichischen Langenlebarn nach Sulzberg in Vorarlberg bringen soll. Der Grund für den Hubschrauber-Flug ist das Weltwirtschaftsforum in Davos. Das österreichische Bundesheer sichert zwischen 27. und 30. Jänner mit dem Schweizer Nachbarn den Luftraum.
Doch nicht nur der spielerische Einstieg erinnert so gar nicht an das Straffe beim Bundesheer. Das Innere des schwarzen Hubschraubers, mit seinen an Haken befestigten, leichten, engen Sitzgelegenheiten, hat die Anmutung von Campingsesseln, bloß sind sie nicht halb so gemütlich. Die Stoffverkleidung in Olivgrün im Inneren erinnert an ein Zelt. Doch auch wenn die Piloten in ihren dunkelgrünen Einteilern stecken - der Begriff Camouflage-Pyjama drängt sich hier förmlich auf - sind sie keine Lausbuben.
Wenn der letzte drinnen ist, beginnen sich die Rotorblätter zu drehen. Schnee wirbelt auf. Der Start erfolgt senkrecht, mit einer leichten Kurve, in die Luft. Die Aussicht ist phänomenal, der Lärm ohrenbetäubend.
Latente Terrorgefahr
Ab Mittwoch wird das Bundesheer so ziemlich alles in der Luft haben, was es an bewaffneten Luftfahrzeugen aufzuwarten hat. Die Gäste aus Staaten, die in Konflikte weltweit involviert sind, "stellen in der Konzentration ein potenzielles Terrorziel dar", sagt Karl Gruber, Kommandant Teilstab Luft. Kurz: Latente Terrorgefahr, ständige Anwesenheit über dem Boden.
Tausend Mann sind an diesen vier Tagen in Vorarlberg im Einsatz. Fliegen kann in der unsichtbaren Sperrzone, die ganz Vorarlberg und einen Teil Tirols erfasst, nur, wer sich vorher anmeldet - Polizei und Rettung ausgenommen. Paragleiter und Zivil-Flieger werden abgefangen, zur Landung gezwungen und notfalls abgeschossen - nach strengen rechtlichen Vorgaben, den „Rules of Engangement". Bisher war ein Abschuss aber nicht notwendig.
Einsatz um eine halbe Million Euro
Inklusive der Verpflegung der Soldaten kostet der Einsatz eine halbe Million Euro. Doch dem Bundesheer kommt das gerade recht: „Der Einsatz ersetzt die Übung", sagt Gruber, der Herr der Flieger. Die Radarsysteme, auch mobil, erfassen jedes Flugobjekt. Mit den Schweizern synchronisiert man jedes Detail. Den Schweizer Luftraum sichern dürfen die österreichischen Flieger nicht - dazu bräuchte es ein Abkommen zwischen den Staaten.
Überflug von Militärmaschinen nur mit Genehmigung
Generell dürfen Militärmaschinen aus anderen Ländern Österreich nur mit Genehmigung überfliegen. Bewaffnete Maschinen bekommen keine. In der Vergangenheit kam dies besonders häufig während des Kriegs in Ex-Jugoslawien vor - mitunter flog das Kriegsgerät so dicht beieinander, dass dem Radar ein einziges, großes Flugzeug vorgegaukelt wurde. „Das haben wir natürlich durchschaut", sagt Gruber, und schüttelt amüsiert den Kopf.
Wunder Punkt Eurofighter
Kopfschütteln, aber keinesfalls amüsiertes, verursacht Gruber der Eurofighter. Kommentieren will er das nicht näher. Doch es ist ihm anzusehen: Der Eurofighter ist ein wunder Punkt bei den Luftstreitkräften.
Die Vorgeschichte: Die Anschaffung der Abfangjäger duch die schwarz-blaue Regierung 2000 und der Ausstieg aus dem Vertrag der SPÖ-Regierung 2006 hat dem Bundesheer-Budget nicht gut getan. Statt ursprünglich 18 werden 15 Flugzeuge gekauft, aus Einsparungsgründen ist nicht die neueste Technologie installiert. Durch die Reduktion der Anzahl und der Abbestellung von Zusatzfunktionen (kein Infrarot) sparte man sich laut Rechnungshof lediglich 267 Millionen Euro. Um 103 Millionen weniger als von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) ausgerechnet.
Flotte Flotte
Doch trotzdem ist Karl Gruber stolz auf seine Flotte. „Qualitativ stehen wir in der Luftraumüberwachung im Spitzenfeld in Europa", behauptet Gruber. Wirklich an der Spitze sei man in der Software. Denn in der Zentrale in St. Johann in Salzburg sind Programmierer am Werk, die die Programme nach den Erfordernissen der Piloten schreiben. Bei den Radargeräten sei man mit anderen Ländern gleichauf, lediglich beim Funk hinke man hinterher. Bis 2012 soll ein neues Funksystem in Betrieb sein.
Ethische Frage Abschuss
Ein bis zwei solcher Einsätze wie Davos führt der Teilstab Luft im Jahr durch. Bei Großereignissen, wie der EURO 2008, steht die Luftsicherung außer Frage. Gibt es eine eindeutige Terrorwarnung bei anderen Ereignissen, heißt es: „Wo kommen am meisten Leute zusammen, schützen wir das", sagt Karl Gruber. Für Gruber ist das Abschießen eine moralische Frage - „das Flugzeug in das Stadion hineinfliegen lassen, wo 500 Menschen sterben oder davor abschießen, wo möglicherweise im Wohngebiet 400 Leute getötet werden" - die letztendlich der Pilot trifft. Er steht am Ende der Entscheidungskette, nach dem Minister und dem Kommandanten.
Rund um die Uhr-Bewachung
An normalen Tagen, wo der Luftraum nicht gesichert, sondern rund um die Uhr überwacht wird, braucht es theoretisch sieben Minuten, bis sich ein Eurofighter aus Zeltweg auf den Weg zu einem verdächtigen Flugzeug macht - vom Drücken des Alarmknopfs bis zum Abheben der Maschine. Einmal in der Woche habe man so einen Fall, erzählt der Brigadier. Meistens sind es zivile Maschinen, die sich über Funk nicht melden - dann tritt die erste Vorwarnstufe für Terrorverdacht ein - ein so genannter Renegate. Die Vorwarnung läuft international: So informiert beispielsweise die ungarische Luftwaffe die österreichische, die darauf ein verdächtiges Flugzeug abfängt. Fliegt die Maschine nach Deutschland, übernehmen an der Grenze die deutschen Abfangjäger.
Aus Ikarus mach Daedalus
Der Transporthubschrauber Black Hawk wird für solche Abfang-Aktionen nicht eingesetzt - genausowenig wie zur Luftraumsicherung in und um Davos. Dafür kamen die Piloten auf ihre verpflichtenden Flugstunden. Trotz ohrenbetäubenden Lärms, dafür aber mit Aussicht auf das Bergpanorama.
Der Davos-Einsatz des österreichischen Bundesheeres wurde heuer übrigens in „Daedalus 10" umgetauft. In den vergangenen Jahren hieß er „Ikarus" - die Signalwirkung war dann doch nicht im Sinne des Bundesheeres. (Marijana Miljkovic, derStandard.at, 26. Jänner 2010)