Wien - Die ÖVP fordert ein Sonderbudget der Stadt gegen den Verfall des Wiener Kulturerbes. Die Bezirke seien mit der Aufgabe finanziell überfordert, konstatierte Klubchef Matthias Tschirf am Montag in einem Pressegespräch. Prominentestes Beispiel für gammelnde Baudenkmäler ist in Augen der ÖVP das bröckelnde Rathaus. Hier sei nur die Schauseite zum Rathausplatz saniert, die übrigen Flügel würden jedoch verfallen: "Abgebrochene Ornamente, Figuren ohne Kopf und Gliedmaßen, aber auch die Verschmutzung der Fassade ist erheblich."

Meist müssten die Bezirke die Sanierung denkmalgeschützter Bauten finanzieren, was aufgrund des Budgetdrucks jedoch so lange hinausgeschoben werde, bis vernünftige Maßnahmen nicht mehr finanzierbar seien. Als Beispiel nannte Tschirf die Josefstadt, die bei einem Bezirksbudget von 2,1 Mio. Euro mit der Instandsetzung der Jugendstil-Toilettenanlagen im Schönbornpark für eine Viertelmillion völlig überfordert sei.

Wünschenswert: 100%-iger Kostenersatz

Der Sonderfonds solle deshalb von den Bezirken für ihre Sanierungen abrufbar sein. Dabei wäre ein Kostenersatz von 100 Prozent wünschenswert, zumal die Stadt von den restaurierten Baudenkmälern profitiere. Schließlich würden oft die kleinen Preziosen ein Stadtbild prägen, so Tschirf.

Beispiel für die Vernachlässigung durch die Stadt seien etwa die Hermesvilla im Lainzer Tiergarten, die Forstvilla im Dehnepark, die virulent verfalle oder der St. Marxer Friedhof. Ein trauriger Fall sei auch die Werkbund-Siedlung: "Heute ist die Stadt Wien nicht in der Lage und nicht willens, die damals als Beispiel der Weltoffenheit sozialdemokratischer Bauarchitektur gefeierte Einrichtung entsprechend instand zu halten."

Daneben gebe es zahlreiche weitere Fälle wie den Linienwall als letzter Abschnitt des Wehrmauerrings, die mit Graffiti verschmierten einstigen Stadtbahnstationen Otto Wagners oder die ausstehende Sanierung der Höhenstraße, die in ihren Originalzustand aus den 1930er Jahren zurückversetzt gehöre.

SPÖ verwundert über ÖVP-Forderungen 

Gleichsam fassungslos hat sich am Montag Wiens SPÖ-Klubchef Siegi Lindenmayr über die Forderung seines ÖVP-Kollegen Matthias Tschirf gezeigt, die Stadt müsse einen Sonderfonds für verfallende Kulturdenkmäler schaffen. So beweise der VP-Politiker mit seinem heutigen Auftritt, wie wenig er sich mit den Dingen auseinandergesetzt habe, so Lindenmayr. Allein über den Wiener Altstadterhaltungsfonds seien von der Stadt seit 2001 rund 55 Mio. Euro in Sanierungen geflossen.

Beim von Tschirf als bröckelnd kritisierten Zustand des Rathauses werde sich bereits heuer etwas ändern, wenn an der Fassade am Friedrich-Schmidt-Platz eine Probefläche zur Kostenschätzung restauriert werde. Auch am St. Marxer Friedhof sei man aktiv. Die geforderte Sanierung der Höhenstraße falle dagegen voll in die Bezirksverantwortung des ÖVP-regierten Döbling. Und er könne sich nicht vorstellen, dass Tschirf hier die Dezentralisierung aufdröseln wolle, meinte Lindenmayr. (APA)