Provenienz von Vermeers "Malkunst": Während die Vermeer-Ausstellung im KHM den aktuellsten Forschungsstand zu Vermeers Die Malkunst präsentiert, ist mit einem Ergebnis der Provenienzforschung durch Kommission und Restitutionsbeirat erst im Laufe des Jahres zu rechnen. Im Herbst 2009 war die Diskussion um die Provenienz des Bildes wieder entflammt, als die Erben nach Jaromir Czernin von der Republik die Rückgabe verlangten. Der 2006 verstorbene Journalist Hubertus Czernin hatte stets widersprochen, dass beim Verkauf des Vermeer-Werkes an Hitler (1,6 Mio. Reichsmark) ein Akt der Nötigung vorgelegen sei. (kafe)

Foto: KHM

Und beweist, dass auch mit konzentrierter Inhaltlichkeit zu punkten ist.

Wien – "Zeig mir zuerst, dass du mich liebst" , quengelt das Modell, die Pose verweigernd. Daraufhin schimpft der Meister es alt und flachbrüstig, muss aber schließlich einsehen, dass nur Lobesworte die "Muse" milde stimmen können. 1976 hat Maria Lassnig diesen ironischen Kommentar zu Vermeers Die Malkunst in Zeichentrickbilder gekleidet. Die feministische Pointe kommt zum Schluss: Das Modell greift zum Pinsel, sie vollendet, Vermeer posiert: ohne Wams und Hut, dafür mit Bauch und Halbglatze. Eine unansehnliche Gestalt.

Lukrative Wanderschaft

Trotz dieser feministischen Auslegung des alten Meisterwerks ist Jan (auch Johannes) Vermeer van Delft (1632-1675) für die Grande Dame der österreichischen Malerei aber immer auch Quelle stetiger Inspiration gewesen. Ein Künstler, für den sie 1000 Kilometer weit reisen würde.

Die Malkunst selbst darf jedoch nicht mehr reisen. Das Gemälde des 17. Jahrhunderts von vielen Wissenschaftern als das herausragende Werk des Niederländers bezeichnet, kommt aus dem Kunsthistorischen Museum in absehbarer Zeit nicht mehr heraus.

Sabine Haags Vorgänger Wilfried Seipel sah das Ölbild von 1666/1668 allerdings allzu gerne auf Wanderschaft, schließlich garantierte es irre hohe Einnahmen: Von 2003 bis 2005 lieh der Direktor den Vermeer trotz heftiger Einwände der hauseigenen Restauratoren nach Madrid, Den Haag und Osaka. Als er 2008 das Bild neuerlich eigenmächtig nach Japan verschicken wollte, bestätigte das Ministerium das Ausfuhrverbot des Bundesdenkmalamts. Seipel beklagte daraufhin den "Verlust von mindestens 400.000 Euro".

Wenn man will, kann man dem hartnäckigen Verleihansinnen Seipels aber auch etwas Positives abgewinnen: Es erwies sich als Schubkraft für die konservatorische Forschung des Bildes, die schon in früheren Jahren stets Anlässe brauchte. Obwohl der fragile Zustand bereits 1950 bei der Ausstellung im MoMA in New York zu Tage trat, fand die umfangreiche Restaurierung erst zwischen 1995 und 1998 statt. Grund:Aktuelle Leihanfragen aus Den Haag und Washington gaben den Anlass für genauerer Untersuchungen.

Zurück ins Heute. Statt also das Gemälde weiterhin als lukrative Finanzierungsquelle zu nutzen, wurde im Kunsthistorischen Museum in den letzten Jahren eher noch Geld für Die Malkunst ausgegeben bzw. in intensive wissenschaftliche Arbeit zu konservatorischen, maltechnischen und ikonografischen Aspekten der Arbeit gesteckt. Vermeers facettenreiches Meisterwerk und die aktuellsten Forschungsergebnisse also nun zum Mittelpunkt einer Ausstellung zu machen und dabei gänzlich auf andere teure Vermeer-Leihgaben zu verzichten ist daher durchaus als Beweis einer neuen, wissenschaftlicheren Haltung im Haus am Ring zu werten. Sabine Haag: Die Ausstellung zeigt "die ganze Bandbreite dessen, was Forschung am Museum leisten kann und leisten muss".

Verfolgt von Vermeers Geist

Eine Präsentation, die – siehe Lassnig – durchaus kurzweilig ist, denn neben den erhellenden Exkursen zu Perspektive und Camera obscura, den anschaulichen Analysen von Farben und Bindemitteln, den Blicken auf Bildrequisiten wie Trompete oder Kronleuchter widmet sich ein Teil der überzeugenden Ausstellung auch der Anziehungskraft, die das Prunkstück auf andere Künstler ausübte:Auch bei Regisseur Peter Greenaway gibt es Unstimmigkeiten zwischen Maler und Modell (Szene aus A Zed & Two Noughts, 1986), Salvador Dalí verfolgte den Geist von Vermeer van Delft (1934); vielleicht war es aber auch umgekehrt. Richard Polak machte aus der Szene eine Aktsitzung, Saskia de Boer adelte die Figur des Modells und machte aus ihr eine eigenständige Skulptur (1999), und George Deem tilgte ebenso wie Matisse' Urenkelin Sophie die Protagonisten aus der Komposition.

Über ikonografische Deutungen der Malkunst werden die Forscher wohl bis in alle Ewigkeiten uneins sein: etwa, ob das Modell nun Fama, die Allegorie des Ruhmes, darstellt oder Klio, die Muse der Geschichtsschreibung und Heldendichtung. Diesem Aspekt widmet sich Sabine Pénot im Katalog. Insbesondere erläutert sie dort aber ihre neuesten Erkenntnisse zu dem bisher als Totenmaske deklarierten Gipsabguss auf dem Tisch. Pénot hält diesen für einen Apoll-Kopf. Als Gott des Lichts und Schützer der Musen, erweist sich diese Deutung als weitere Erhellung in der zentralen, aber dennoch rätselhaften Arbeit des Meisters des Lichts. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 26.01.2010)