Lucy Hill (Renée Zellweger)

Foto: Senator Film

Wien - Es gibt Menschen, die nicht dorthin ziehen, wo es noch Arbeit gibt, sondern dorthin, wo diese weniger wird. Nehmen wir zum Beispiel einen kleinen Ort wie New Ulm in Minnesota, in dem eine unrentable Lebensmittelfabrik keinen Gewinn mehr abwirft. Da kann es passieren, dass der Mutterkonzern in Miami eine aufstrebende Managerin losschickt, um die "Standortfrage" zu klären und die überflüssigen Mitarbeiter reihenweise zu entlassen.

Dass Lucy Hill (Renée Zellweger) dieses Problem nicht im Sinne ihres männlichen Vorstands lösen wird, steht ohnehin außer Zweifel und zeigt sich spätestens, wenn sie bei ihrer Ankunft vom Eiswind ins Flughafengebäude zurückgeblasen wird. Wer mit dünnem Westchen in den Norden kommt, hat eben noch viel zu lernen: zum Beispiel, dass der unsympathische Gewerkschaftsführer in Wahrheit ein guter Kerl ist, die Schreibtischschublade für die geheime Namensliste aber ein schlechtes Versteck.

Womit schon Anne Heche unter den einfachen Men in Trees in der eingeschneiten Wahlheimat Alaska konfrontiert war, das blüht Zellweger nun im Kino in New in Town: unangenehme Kontakte mit Natur und Einheimischen. Da wird der Jagdausflug erst dann lustig, wenn die endlich doch fachmännisch eingemummte Frau austreten muss. Oder bei der Flucht in den Süden zunächst betrunken aus dem Straßengraben gerettet wird und dann in demselben Zustand kopfüber von der Veranda kippt.

Neue Sozialromantik

Das ist einerseits so reaktionär, wie es klingt - und ein Schlag ins Gesicht der Screwball-Comedies aus den 1940er-Jahren mit Bette Davies oder Katharine Hepburn; andererseits ein Beleg dafür, dass sich der kommerzielle US-Film beim Thema Arbeitslosigkeit bereits vor ein paar Jahren mit Filmen wie In Good Company progressiver präsentiert hat. Es scheint, als hätten hier sentimentale Komödie und ökonomische Krise eine unheilvolle Allianz gebildet: die einer neuen Sozialromantik.

"Die können doch nicht die Lebensgrundlage so vieler Menschen vernichten" , meint also die Karrieristin angesichts des selbst mitverschuldeten Elends, das ihr nun die Augen öffnet und sie die Seite wechseln lässt. "Natürlich, das machen sie ständig", antworten die Hinterwäldler. Und so singt der personifizierte Kapitalismus mit dem Pöbel und schlechtem Gewissen auf dem Dorfplatz Weihnachtslieder.

Doch wer in Minnesota keinen Job und bald auch kein Geld mehr hat, braucht zum Glück nur eine gute Idee. Mehr als der Trost einer Fremden zählen hier nämlich Eigenständigkeit, Selbstverwaltung und ein buchstäbliches Geheimrezept, mit dem der soziale Friede eingekocht wird. Hilfe zur Selbsthilfe: ein Exportschlager mit schalem Beigeschmack. (Michael Pekler, DER STANDARD/Printausgabe, 26.01.2010)