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Präsident Sarkozy - hier bei seinem großen Fernsehauftritt im Februar 2009 - weiß das Fernsehen für seine Zwecke zu nutzen. Damit schließt er an eine Tradition seiner Vorgänger an.

Foto: epa

Was macht ein Politiker, der im Umfragetief steckt und sorgenvoll die nächsten Wahlen nahen sieht? Eh bien, er macht sich eine Fernsehsendung. Oder gleich deren zwei, und am besten hintereinander. So geschehen am Montagabend auf dem größten französischen Fernsehsender TF1. Nicolas Sarkozy ließ sich zuerst in der Tagesschau interviewen, um dann das Studio zu wechseln und in einer weiteren Sendung Zuschauerfragen zu beantworten. Mit elf Franzosen im Kreis sitzend, beantwortete er wie ein guter Schullehrer deren Fragen zu Themen wie Arbeitslosigkeit oder hohe Preise.

Das Ganze wirkte reichlich künstlich. Und das kam nicht von ungefähr. Die Sendung mit den Durchschnittsfranzosen leitete Jean-Pierre Pernaut, ein bekennender Sarkozy-Wähler. Der von ihm ausgewählte Privatsender TF1 ist ihm seit jeher gewogen, gehört er doch Martin Bouyuges, dem Taufpaten seines ersten Sohnes. Zur Interviewpartnerin bestimmte das Elysée Laurence Ferrari, die schon Presseberichte über eine frühere Liaison zwischen ihr und Sarkozy gerichtlich anfechten musste.

Die Sozialistische Partei kritisierte diese "Wahlsendung" sieben Wochen vor den Regionalwahlen in Frankreich.

Diese Polemik erreicht die Franzosen kaum. Sie sind daran gewöhnt, dass das Fernsehen dem Präsidenten zu Diensten ist. Und zwar auch einem Sozialisten wie François Mitterrand, der seine Interviewpartner in den achtziger Jahren stets selber auswählte. Zwanzig Jahre zuvor hatte Fernsehpionier Charles de Gaulle mit dieser Tradition begonnen: Befragen ließ er sich nur vom damaligen Tagesschausprecher Michel Droit, der im Zweiten Weltkrieg in der Résistance tätig gewesen war. Valéry Giscard d'Estaing gab sich in den 70ern moderner. Der Präsident plauderte mit Durchschnittsfranzosen in deren Wohnzimmer. Jacques Chirac gab sich am Fernsehen wieder volksnah und wählte als Kulisse für seine Fernsehauftritte teils mehr als 80 Jugendliche. Das wirkte zeitgemäß, hatte aber den Nachteil, dass nicht alle Fragesteller kontrolliert werden konnten; Chirac geriet mehrmals in die Bredouille.

Sarkozy zog deshalb am Montag eine überblickbare Auswahl von "Durchschnittsfranzosen" vor - handverlesen natürlich. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2010)