Wer nationalen Aufwallungen prinzipiell skeptisch gegenübersteht, sieht sich darin nicht nur vom Dumpfgurkenpatriotismus des heimischen Boulevards und seiner deutschkärntnerischen Variante dauerhaft bestätigt. Das letzte Wochenende führte diesem Skeptizismus reichlich Nahrung zu, als die Frauenministerin im Verein mit einem Gesangssternchen wieder einmal einen alten Hut zum Glosen zu bringen versuchte. Christina Stürmer will wieder zurück an die Spitze, urteilte ausgerechnet "Österreich", und machte sich zu diesem Behuf am Text der Bundeshymne zu schaffen.

Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden. Dieser Text mit seiner Flucht vor den Problemen der Zeit in die Berge, an den Strom und in eine ferne Vergangenheit, aus der man ohne Angabe von Gründen frei und gläubig in die Zukunft zu schreiten eingeladen wird, ist gutgemeint, das Produkt einer ständestaatlich belasteten Nachkriegszeit und ein hymnischer Totalschaden.

Die einschläfernde Musik mag dem Nationalcharakter besser entsprechen, macht die Sache aber nicht feuriger. Statt endlich einmal eine komplette Neufassung der leidigen Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen, weil im Ministerrat gerade nichts Wichtiges ansteht, versuchte man an dem Problem nicht einmal gendermäßig, sondern per Einführung einer Frauenquote herumzufummeln. Innerhalb von zwei Tagen gab es eine Christina-Stürmer-Version, eine Version Frauenministerium und eine Tini-Kainrath-Version, die alle auf die Implantation von Töchtern in die Heimat großer Söhne hinausliefen, bei unterschiedlich geschmeidiger Anpassung an die Melodie.

Ob die Frauenministerin damit von der altersmäßig leicht überständigen Superpraktikantin des Vizekanzlers oder von seiner neuen Wissenschaftsministerin ablenken wollte, von der "Österreich" sofort erkannte, sie sieht aus wie Claudia Schiffer (im Fließtext allerdings nur noch entfernt), blieb ungeklärt. Maßvoll feministisch meinte die Frauenministerin, eine Textänderung der Hymne sei "nicht ihre oberste Priorität", was die Erfinderin der Christina-Stürmer-Version erleichtert zur Kenngnis nahm: "Wenn es Ministerin Schmied gelassen sieht, dann mache ich mir auch nicht in die Hose."

Es ist nicht überliefert, ob die Verfasserin des heute heiß umfehdeten und wild umstrittenen Urtextes in Bezug auf den damaligen Unterrichtsminister ähnlich empfunden hat. Ein anderes Geheimnis versuchte die "Kronen Zeitung" mit der Frage zu fokussieren: Was hat die Dichterin Paula von Preradovic gemeint, als sie die nun heftig umstrittene Textzeile "Heimat bist du großer Söhne" verfasste? Was sie mit dem ganzen Rest gemeint haben könnte, interessierte da weniger, konnte man doch mit der Zeitzeugenschaft eines ihrer großen Söhne aufwarten. Ihr Sohn, der bekannte Verleger Fritz Molden berichtete der "Krone" vom poetischen Tatort: "Mit der Frage, ob sie denn ihre eigenen Geschlechtsgenossinnen vergessen habe" konfrontiert: "Nein", soll Paula von Preradovic da ganz klar geantwortet haben: "Alle kommen zum Zug."

Was für Hämmer, Berge, Dome, Söhne, ja sogar Äcker zweifellos gilt, aber schon wo es gilt, in Brüderchören, Vaterland, dir Treue zu schwören, sind die Schwestern statt mitzuschwören verhalten, sich damit abzufinden, dass sie auch zum Zug kommen, aber nur, weil sie schon seit frühen Ahnentagen hoher Sendung Last zumindest mitgetragen haben.

Einen Kolumnisten des "Kurier" traf angesichts der Debatte der Geistesblitz. Bis auf "die" Heimat und "das" Schöne, die über keine Mehrzahl verfügen, verlangen alle Hauptwörter, die in der 1. Strophe der Hymne verwendet werden, in der Einzahl den Artikel "der" oder "das". Und in der Mehrzahl, wie im Deutschen üblich, "die". Es muss schon ein großer Sohn der Heimat sein, der solcher Erkenntnisse teilhaftig wird. Besser vermochte da schon "Krone"-Schleimer Michael Jeannée in seinem Brief an die liebe Bundeshymne zu artikulieren, was er gegen den Show-Schleimer hat, der das Land, dessen Hohes Lied Du bist, als "verschissen und verlogen" bezeichnet. Der möge mit der Stürmer im Duett singen: "Heimat bis Du großer Söhne und Töchter und Heteros und Homos." Einen drastischeren Beweis für die Richtigkeit der Landesbeurteilung hätte man nicht erbringen können. Solche Verteidiger hat sich Frau Preradovic nicht verdient. Denn alle kommen zum Zug - landestypisch vor Gericht.(Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 26.1.2010)