Beatrix Karl ist eine gescheite und eloquente Frau, sie kennt sich in ihrem neuen Fachbereich als Ministerin aus, sie hat von Politik eine Ahnung, sie ist in den wesentlichen Grundsatzfragen auf ÖVP-Linie.

Und dennoch war sie nicht die erste Wahl.

Josef Pröll hat lange gesucht - zu lange. 13 Wochen lang blieb die Wissenschafts- und Universitätspolitik unbeackert. Ein Luxus, der angesichts der drängenden Probleme eigentlich nicht leistbar wäre. Pröll hat ihn sich dennoch geleistet. Weil er schneller niemanden gefunden hat. Für Johannes Hahn war das besonders unangenehm: Es entstand der Eindruck, Pröll warte deshalb so lange mit der Nachbesetzung, weil er Zweifel habe, ob Hahn das Hearing in Brüssel als EU-Kommissar überleben würde.

Tatsächlich hat Pröll mit vielen geredet. Er hat gesucht - auch außerhalb der Partei. Obwohl er ein gebranntes Kind ist. Mit Claudia Bandion-Ortner als Justizministerin hat die ÖVP nicht die beste Erfahrung gemacht. Die Begeisterung über Quereinsteiger ist in der Partei spürbar abgeflacht. Mit Rektoren, Wissenschaftern und Managerinnen hat Pröll gesprochen - entweder hat er Absagen bekommen, oder er kam selbst zur Erkenntnis, dass es verlässlichere Kandidaten geben müsste.

Also suchte er doch in der Partei. Hier hagelte es Absagen: andere Lebens- und Karriereplanung, zu wenig Ambitionen. Und natürlich gab es die Eigeninserate jener Kandidaten und -innen, die laut "Ich" und "Hier" riefen, sich durch hyperventilierendes Eigenmarketing aber selbst diskreditierten. Also blieben Beatrix Karl oder Reinhold Lopatka. Gut, brav und verlässlich. Beide.

Lopatka, der immer noch bubenhaften Charme versprüht, wäre aber als Antithese zu einer personell mutigen und innovativen Entscheidung verstanden worden. Zu Recht. Also Karl - eine solide, eine konservative Wahl. Aber ein neues Gesicht. Und eine Frau. Und eine Steirerin. Auch wenn die steirischen Parteifreunde nicht so hartnäckig für eine Landsfrau interveniert hätten: Es wäre dennoch Karl geworden. So dick ist die Personaldecke der ÖVP auch wieder nicht.

Für Pröll hat die Suche erst einmal ein Ende. Er muss noch eine Entscheidung verkünden, gefällt hat er sie wohl schon längst: Stellt die ÖVP einen eigenen Kandidaten, eine Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl auf? Es ist so gut wie sicher: Nein. Weil es aus Sicht der Partei nichts bringt, weil man nur verlieren kann, weil es aber viel kostet, was man sich nicht leisten kann. Dafür muss Pröll in Kauf nehmen, dass Teile der ÖVP-Sympathisantenschaft dennoch nicht den roten Heinz Fischer wählen würden, sondern eher die blaue Barbara Rosenkranz. ÖVP-Potenzial flösse also direkt zu H.-C. Straches FPÖ. Das kann man sehr bedenklich finden.

Eine kleine, aber nicht unbedeutende Entscheidung in der ÖVP steht noch an. Die Wahl hat aber nicht Pröll, sondern Außenminister und ÖAAB-Chef Michael Spindelegger: Er muss Karls Nachfolge als ÖAAB-Generalsekretärin klären. Wen er findet, um seinen Einfluss in der ÖVP abzusichern, ist durchaus spannend. Spindelegger gilt vielen in der Partei bereits als potenzieller Nachfolger Prölls. Sollte sich dessen Ruf als politisches Naturtalent verflüchtigen, stünde Spindelegger bereit. So viel Personaldecke hat die ÖVP jedenfalls. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2010)