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Oppositionschef Bersani.

Foto: EPA/ALESSANDRO DI MEO

Rom - Dafür, dass er sich bis dahin vehement geweigert hat, passierte der Rückzug dann mit viel Getöse. Am Montag, um 15.07, gab der bisherige Bürgermeister von Bologna, Flavio Delbono, mit folgenden Worten seinen Rücktritt bekannt: "Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, mein Amt niederzulegen. Das sage ich hier, im höchsten Regierungssitz der Stadt".

Der Politiker der größten Oppositionspartei PD (Partito Democratico) reichte unter dem Druck von Justizermittlungen rund um seine Amtszeit als Vizepräsident der Region Emilia Romagna seine Demission ein. Die norditalienische 400.000 Einwohner-Stadt Bologna ist die Hauptstadt der Region Emilia-Romagna sowie der Provinz Bologna.

Vorwürfe und das Ende eines "Traums"

Vorgeworfen werden Ex-Bürgermeister Delbono Unterschlagung öffentlicher Gelder, Amtsmissbrauch und Betrug. Der 50-Jährige soll seine Sekretärin, mit der er eine Affäre gehabt haben soll, auf Kosten der Regionalkassen des öfteren auf Reisen mitgenommen und mit ihr in Luxushotels gewohnt haben. Außerdem soll er ihr auch Geld aus den öffentlichen Kassen zugesteckt haben, berichten diverse italienische Medien.

Vorwürfe, die Delboro selbst abstreitet. Die Entscheidung zum Rücktritt habe er aus "ethischen Gründen" getroffen. Ein Schritt, den die Tageszeitung Corriere della Sera als "wahrscheinlich endgültiges" Ende seiner politischen Karriere wertet. Keine sieben Monate war Flavio Delbono in jenem Amt, den er zu Beginn als seinen "Traum" bezeichnet hatte. Nach neun Jahren in der Kommunalpolitik möchte sich der Wirtschaftsexperte wieder seiner Karriere als Professor widmen. Delbono lehrt auf der Universität in Bologna wie der dort ansässigen US-amerikanischen Johns Hopkins-Universität "Ökonomie und Politik".

"Bologna vor allem anderen"

Die Tatsache, dass "die aufzubringende Zeit sowie die Mittel für seine Verteidigung unter Umständen vor Gericht negative Auswirkungenauf meine Tätigkeit als Bürgermeister haben könnten", hätte ihn zu diesem Schritt gezwungen. Sagt er und schleudert Journalisten, Lokalpolitikern und Neugierigen im bis zum Bersten gefüllten Saal Pathos entgegen: "Die Geschichte dieser Stadt und ihre lange Tradition des Einsatzes für das Gemeinwohl führen dazu, dass es hier im Vergleich zu anderen Städten eine andere Kultur gibt. Bologna kommt für mich vor allem anderen."

Quelle: La Repubblica

Ein paar Tage zuvor tönte es noch anders aus dem Rathaus. Er würde nicht einmal zurücktreten, wenn ein Untersuchungsrichter einen Prozess gegen ihn beantragen würde, war sich Delboro Ende vergangene Woche sicher. Die unabhängige Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera nennt den Rückzug "den aufsehenerregendste Kehrtwende der jüngsten politischen Geschichte".

Die Demission gehe auf die Kappe des Oppositionschefs Pierluigi Bersani, der ihn am Wochenende überredet haben soll, schreiben italienische Medien. Auch der Ex-Premierminister Romano Prodi und Gründer der PD hatte den Bürgermeister zum Rücktritt aufgerufen, um dem Ansehen der Partei nicht zu schaden, mutmaßt etwa die Römer Tageszeitung La Repubblica.

Delboro selbst sagt laut Corriere della Sera: "Ich alleine habe die Entscheidung getroffen. Ich hatte keinerlei Kontakt zu Romano Prodi oder Pierluigi Bersani", zitiert ihn die Mitte-Links-nahe Tageszeitung. Den Druck der "Prodianer" habe er nicht gespürt, weil er schlicht nicht vorhanden war, sagt Delboro. Und Vasco Errani, Präsident der Region Emilia-Romagna (PD), höre er ohnehin immer. Was der ihm gesagt habe? In bocca al lupo, viel Glück. Prodis Pressesprecherin Sandra Zampa hat eine andere Sicht der Dinge: "Es ist offensichtlich, dass er mit Prodi gesprochen hat", lässt sie über Corriere della Sera ausrichten.

Imageschaden für PD

Der Skandal um Delbono ist ein schwerer Imageschlag für die PD, die sich im März einer Wahl in der Emilia-Romagna stellen muss. Das Mitte-Links-Bündnis ist in der Region traditionell stark verankert, Bologna trägt den Beinamen "La Rossa" nicht nur wegen der typisch roten Ziegel der Häuser, sondern auch aufgrund der vorherrschenden politischen Richtung.

Ein Stimmungstest sind die Regionalwahlen nicht nur für die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sondern auch für die PD selbst. Regierung, Medien und selbst Teile der Opposition kritisieren schon seit geraumer Zeit die innere Zerstrittenheit und die Führungslosigkeit innerhalb der Partei. Selbst Romano Prodi erzählt der Repubblica folgende Anekdote: "Vor drei Wochen war ich in Campolongo Schifahren und das einzige, was mich die Menschen in den Reihen, beim Warten auf die Gondel, gefragt haben, war: 'Wer führt die PD an?'. Die Antwort zu finden, sei nicht mehr seine Aufgabe. "Ich bin draußen, und wer draußen ist, ist draußen", sagt der Ex-Premier. Bersanis Antwort folgte auf den Fuß, er nannte Prodis Kritik "Worte, die ich nicht teilen kann". (fin, derStandard.at, 26.1.2010)