Korneuburg - "Kann etwas Schrecklicheres passieren, als dass man seinen beiden Kindern nachsehen muss ins Grab?", fragt Verteidiger Werner Tomanek am Dienstag im Landesgericht Korneuburg. Seine Mandantin bricht in Tränen aus. Die 33-Jährige ist gemeinsam mit ihrer Mutter (55) wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen angeklagt. Am 9. Juli 2009 starben ihr Sohn (3) und ihre Tochter (4) bei einem Brand an einer Rauchgasvergiftung. Die Kinder waren alleine zu Hause, die Haustür war versperrt.

Normalerweise, so erzählt die 33-Jährige, gehe sie um 4.30 Uhr arbeiten. Die aus Serbien stammende Frau, die seit 25 Jahren in Gänserndorf wohnt, verdient mit der Reinigung in Lokalen ein paar hundert Euro im Monat. Der Vater der Kinder habe sich schon Monate nicht mehr blicken lassen und keine Alimente gezahlt. Ihre Mutter, die im gleichen Gebäude wohnt, passte bei Bedarf auf die Kinder auf.

Doch am 9. Juli 2009 verschläft die Alleinerzieherin. Um acht Uhr wacht sie auf, hetzt zur Arbeit. Die Haustüre lässt sie unversperrt. Die Kinder schlafen noch. "Ich habe meine Mutter durch das Fenster gesehen" , erzählt die Angeklagte. Ihr Bescheid gegeben, wie sonst üblich, hat sie aber nicht. "Ich war so gestresst."

Eine halbe Stunde später hört sie die Feuersirene. Dass ihr eigenes Haus brennt, ahnt sie nicht, geschweige denn, welch tragische Wendung ihr Leben gerade nimmt. Als sie nach getaner Arbeit heimfährt, sieht sie das Blaulicht und die Polizei, eilt zu ihrer Haustüre und tritt diese ein. Die Kinder liegen reglos hinter der Tür. Die Mutter zerrt sie mit einem Polizisten in den Hof. Es ist zu spät. Ein Sachverständiger stellt später fest, dass der Bub und das Mädchen im Bett gezündelt haben. Ihre Mutter sagt bei Gericht, sie habe Zünder und Feuerzeuge immer versteckt.

Doch warum war die Türe verschlossen? Die Großmutter der Kleinen hatte an diesem Morgen einen Arzttermin. Als sie in Eile den Hof betrat, sah sie die Türe ihrer Tochter einen Spalt breit offen stehen, woraufhin sie diese schloss und versperrte. Die Kinder wähnte sie im Kindergarten.

Dort galten die Geschwister als "Kinder wie alle anderen", erzählt die Kindergartenleiterin vor Gericht. Keine Verhaltensauffälligkeiten, stets mit Jause versorgt und sauber gekleidet.

Der Richter spricht die Großmutter frei, die Mutter erhält eine bedingte Haftstrafe über fünf Monate wegen fahrlässiger Tötung. Sorglosigkeit oder Fehlverhalten liege vor, "besonders gefährliche Umstände" aber nicht. "Mit dem Schuldvorwurf, den Sie sich selbst machen, müssen Sie leben. Sie sind gestraft genug", sagt er. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2010)