Seit 22 Jahren betreibt Surjit Singh Saini seine Pizzeria "Vesuvio da Mario" im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Foto: Jasmin Al-Kattib

Der kurze Text ist mit einer Schreibmaschine getippt, der edle Briefkopf des wertvollen Papiers trägt den Schriftzug "Der Bundespräsident". In der festen Klarsichthülle einer schwarzen Ledermappe bewahrt Herr Mario sorgsam den Brief des früheren Staatsoberhaupts gemeinsam mit einer Kopie seines eigenen handschriftlichen Schreibens und den anderen Dokumenten auf. "Als ich damals in den Achtzigerjahren mein Visum samt Arbeitserlaubnis verlängern wollte, sagte man mir auf dem Amt, dass das nicht mehr möglich wäre. Nur der Bundespräsident könne mir das genehmigen. Also habe ich ihm einen Brief geschrieben." Der damalige Präsident Rudolf Kirchschläger schrieb prompt zurück, nahm die Argumente des jungen Inders, in Österreich zu bleiben, positiv zur Kenntnis und bewilligte ihm einen weiteren Aufenthalt.

Italien inspiriert

Herr Mario arbeitete bereits einige Jahre im Gastgewerbe, bis er genug Geld gespart hatte, um 1988 eine Pizzeria zu eröffnen. "Vesuvio da Mario", so nannte er sein langersehntes eigenes Restaurant nahe der Mariahilfer Straße im 15. Wiener Gemeindebezirk. "Ich war jung und hatte Freude daran, Herausforderungen anzunehmen. Ich sah keine Schwierigkeit darin, mich selbständig zu machen. Also habe ich das Restaurant aufgemacht, war selbst Koch und Kellner. Es lief gut und den Gästen gefielen das Essen und die Atmosphäre." Italienisch kochen lernte er über die Jahre von Kollegen in den Küchen verschiedener Restaurants. Infiziert von dem Temperament, der Sprache und dem Geschmack Italiens legte er sich schließlich auch einen adäquaten "Künstlernamen" zu.

Eigene Wege gehen

Denn Herr Mario heißt eigentlich Surjit Singh Saini und kommt aus Punjab in Nordindien. Nach seinem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium gefiel ihm der Gedanke, in Europa mehr Geld zu verdienen. Er packte seine Sachen und ging zuerst für drei Jahre nach Deutschland. Zurück in Indien lernte er seine Frau kennen und heiratete. Doch Europa ließ ihn nicht los, und so beantragte er ein Visum für Österreich. Seitdem sind fast 30 Jahre vergangen. Seine vier Kinder studieren längst, drei davon Medizin, eines Sport und Englisch. "Meine Kinder helfen mir manchmal im Restaurant. Ich finde es aber sehr wichtig, dass sie ihren eigenen Weg gehen und alle eigenständige Berufe lernen." Und während seine Söhne und Töchter auf der Wiener Universität Vorlesungen besuchen, hat seine Ehefrau Usha in der zweiten Filiale der Pizzeria im 6. Bezirk, die Mitte der neunziger Jahre eröffnet wurde, die Chefinnenhosen an.

Durch Qualität überzeugen

"Momentan ist es in der Gastronomie generell schwierig, ich habe derzeit weniger Gäste als vor zwei Jahren." Und dann ist da noch eine benachbarte Pizzeria, die mit Dumpingpreisen allen anderen Gastronomiebetrieben im Grätzl Konkurrenz macht. Da muss Herr Mario mitziehen, um seine Stammkunden nicht zu verlieren, und bietet Mittagsmenüs um 3,80 Euro an. "Bei diesen Preisen weiß man aber nicht mehr, wie man alles bezahlen soll. Lebensmittel, Arbeitszeit, Strom, Gas, Steuern, Krankenkassa." Wenn er aber auf diese Weise neue Gäste von der Qualität seiner Küche überzeugen kann, läuft das Geschäft bestimmt bald wieder besser", so Herr Mario optimistisch.

Gleich zwei Liebeserklärungen

Wenn das Geld und die Zeit es erlauben, besucht Herr Mario seine Freunde und Bekannten in Italien, alle paar Jahre fährt er auch in sein ursprüngliches Heimatland Indien zu seinen Geschwistern. "Ich liebe Nordindien. Das Wetter ist immer gut, im Sommer, im Winter, auch die Monsunzeit ist schön. Und die Leute sind so sympathisch." Auch von der indischen Küche kann und will er sich nicht lösen. "Gegen Voranmeldung kochen wir auch indisch, obwohl es nicht auf unserer Speisekarte steht. Meine Frau kann das sehr gut," beteuert er. Die Verbundenheit zu seinem Herkunftsland steht allerdings keineswegs im Widerspruch zu den Gefühlen gegenüber seinem jetzigen Zuhause. Seine Augen leuchten, wenn er von Österreich spricht. "Am Anfang war es nicht leicht, hier Leute kennen zu lernen und ihr Vertrauen zu gewinnen, denn die Mentalität ist hier ganz anders. Aber ich liebe Österreich. Meine Familie und ich sind schon so lange hier, und Wien ist seit vielen Jahren meine Heimat" - die ohne Herrn Marios Mut und ohne Herrn Kirchschlägers guten Willen wohl nie seine Heimat geworden wäre.