Caracas/Wien - Die Protestkundgebungen wegen einer Sperre des regierungskritischen Fernsehsenders Radio Caracas Televisión (RCTV) in Venezuela endeten blutig: Ein 22-jähriger Student wurde bei den heftigen Zusammenstößen von Befürwortern und Gegnern der Sperre in der Stadt Merida erschossen, wie die Behörden am Montagabend bestätigten. Auch neun Polizisten seien zum Teil schwer verletzt worden, erklärte der venezolanische Innenminister Tareck El Aissami.

Die Behörden in Venezuela hatten am Sonntag die Übertragung des Kabelsenders gestoppt. RCTV war weder über Kabel noch über Satellit zu empfangen. Erst vor wenigen Tagen wurde ein neues Gesetz beschlossen, wonach alle 24 Kabelsender in Venezuela die teils mehrere Stunden dauernden Reden von Präsident Hugo Chávez übertragen müssen.

RCTV hatte es am Wochenende entgegen der Anordnung unterlassen, eine Ansprache des Präsidenten in voller Länge zu zeigen. Daraufhin wurden die Übertragungsgesellschaften durch die Telekommunikationsbehörde angewiesen, RCTV sowie fünf weitere Sender nicht mehr zu übertragen.

Laut Benoît Hervieu von Reporter ohne Grenzen verfolgt Chávez damit zwei Ziele: "Zum einen liebt Chávez es, in der Öffentlichkeit über seine Politik zu sprechen. Zum anderen ist er aber ein Militär - und den kritischen Stimmen im Land die Bühne zu nehmen, ist eine Militärstrategie" , sagte Hervieu dem Standard.

Von Regierungsseite hieß es, dass die Sperre keineswegs politisch motiviert sei, sondern der Sender gegen das Gesetz verstoßen habe. RCTV wurde bereits 2007 von der venezolanischen Regierung die terrestrische Lizenz entzogen, weshalb der Sender nur über Kabel zu empfangen war.

Steigender Unmut

Abseits der Spannungen zwischen privaten Medien und der Regierung kommen im heurigen Wahljahr große Hürden auf den Präsidenten zu. Nach Rationierungen von Wasser und Elektrizität ist nun der Währungsverfall für den Unmut vieler Venezolaner verantwortlich. Im Jahr 2009 betrug die Teuerungsrate etwa 25 Prozent, Wirtschaftsexperten warnen vor weiterer Inflation.

Am Montag traten Venezuelas Vize-Präsident und Verteidigungsminister Ramón Carrizales sowie dessen Frau, Umweltministerin Yuribi Ortega, zurück. Aus persönlichen Gründen, erklärte Carrizales. Laut Gerüchten soll es Streit mit Chávez gegeben haben. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2010)