Wien - Den Top-12-Platz nimmt Österreichs Handballern niemand mehr weg, die Norweger ebenso wenig wie die Kroaten. Vielleicht geht sich sogar eine einstellige Platzierung aus, das weist sich am Donnerstag (18), wenn in der Wiener Stadthalle zum Abschluss der Hauptrunde die Russen warten. Was vom Überstehen der Vorrunde, vom sensationellen EM-Erfolg also, bleiben kann und soll? "Viel" , sagt Harry Dittert, "diesmal wirklich viel." Denn diesmal gebe es ein Konzept zum Thema Nachhaltigkeit. Im Gegensatz zu 1992, als Österreich via Heim-B-WM die kurzfristige A-Klassigkeit erreichte und daraus genau gar nichts entstanden ist.
Dittert (70) war, was wenig zur Sache tut, Teil jener Mannschaft, die 1966 WM-Bronze im Feldhandball holte, er gab aber auch, nachdem Handball in die Halle übersiedelt war, einen Teamchef (1977-81) und einen Teammanager (1998-2000). Und er führte den Verein Westwien in den 80ern in die Erstklassigkeit, auf dass Westwien unter Vinko Kandija sensationelle Erfolge feierte, beispielsweise in der Champions League 1993/94, als alle Heimspiele gewonnen wurden.
Es sind laut Dittert zwei Schienen, auf denen Handball in Österreich fürderhin transportiert werden soll. Erste Schiene: die Vorbilder, das Nationalteam. "Es ist das Aushängeschild, es muss zusammengehalten werden, es hat Perspektiven, es verfügt über genügend Jüngere. Es kann sich für die nächste WM qualifizieren. Und auch eine Olympia-Teilnahme ist keine totale Utopie." Die Voraussetzung: "Man muss unter allen Umständen den Teamchef halten. Koste es, was es wolle. Diese Sternstunde unseres Sports hat in seinem Kopf begonnen."
Dagur Sigurdssons Vertrag mit dem Handballbund (ÖHB) läuft freilich mit der EURO aus, darüber hinaus ist der Isländer den Füchsen Berlin im Wort, die er in der deutschen Bundesliga betreut. Die Füchse gehen davon aus, dass sich Sigurdsson bald ausschließlich auf sie konzentriert. Dittert: "Der ÖHB muss Sigurdsson klarmachen, dass er zwar viel gesät, aber längst nicht alles geerntet hat. Er kann sich mit Österreich noch weiter profilieren."
Zweite Schiene: der Nachwuchs. "Der Sport muss an die Schulen gehen" , sagt Dittert. "Da müssen sich die Vereine mit ihren Trainern einbringen." Dittert hat nie verstanden, wieso das seinerzeitige Westwien-Modell nicht kopiert wurde. Ein Gymnasium (Astgasse) hatte dem Klub reihenweise Talente geliefert, die er zu einer Einheit formte, womit er gänzlich ohne Legionäre auskam.
Laufen, springen, werfen
Der ÖHB sei gefragt, er müsse Vorgaben liefern, den Landesverbänden, den Vereinen. Handball, sagt Dittert, sei überaus jugendtauglich, weil eine von wenigen Sportarten, in denen sich die drei Grunddisziplinen treffen, das Laufen, das Springen, das Werfen. Und Handball habe, gegenüber Fußball beispielsweise, den Vorteil, dass man weniger Platz benötige. "Es laufen genügend Kinder herum, die nur darauf warten, dass sie dazu angeregt werden, sich zu bewegen."
Dittert zählt Länder auf. "Dänemark, Norwegen, Schweden, die Schweiz, Slowenien, Kroatien, Serbien. Und natürlich Island." Schweden und Serbien haben unwesentlich mehr, die anderen haben weniger Einwohner als Österreich. "Doch sie alle haben eine echte Handball-Kultur. Die fehlt strukturbedingt in Österreich." Aber Harry Dittert sagt auch: "Es ist nie zu spät." (Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE 27.1. 2010)