Bild nicht mehr verfügbar.

Präsident Obama schlägt erbitterter Widerstand entgegen.

Foto: APA/EPA/Reynolds

Die Rede zur Lage der Nation, sagt einer, der sie selbst zu Papier bringen musste, sei eines der großen Rätsel modernen amerikanischen Lebens. "Der Präsident will sie nicht halten, der Kongress will sie nicht hören, die Fernsehsender wollen sie nicht senden" , witzelt Peter Robinson, Ronald Reagans Redenschreiber. Dennoch stehe das verdammte Ding Jahr für Jahr auf dem Programm, "ein Ritual, das wir nicht mehr loswerden" .

In diesem Jahr ist das anders. Selten hat eine "State of the Union Address" solches Interesse geweckt. In schweres Fahrwasser geraten, will Barack Obama Mittwochabend amerikanischer Zeit das Ruder herumreißen. Die eigene Wirtschaft hat Vorrang, die Welt muss warten. Im Umfragentief will der Präsident seinen Landsleuten zeigen, dass er weiß, wo sie der Schuh drückt.

Die Gesundheitsreform, sein wichtigstes Projekt, hängt nach der Wahlniederlage in Massachusetts am seidenen Faden. Wie hart Obama für die Reform kämpfen wird, muss sich noch zeigen. Fürs Erste verschiebt er die Prioritäten, stellt die Gesundheitsnovelle zurück; an die Stelle des großen Wurfs treten kleinere Korrekturen zugunsten der Mittelklasse.

Wer für Kinderbetreuung zahlt, soll bald einen doppelt so hohen Betrag von der Steuer absetzen können. Wer einen Kredit aufnehmen muss, um sein Studium zu finanzieren, soll Hilfe erhalten, wenn er mit den Zahlungen in Verzug gerät. Beides will der unter Druck stehende Hoffnungsträger Mittwoch verkünden. Es ist ein Umschwenken, das auffallend an Bill Clinton erinnert. Auch der hatte 1994, in seinem zweiten Amtsjahr, mit der angepeilten Gesundheitsreform Schiffbruch erlitten und sich fortan darauf konzentriert, kleinere Schritte zu gehen - weniger kontrovers, in der Summe wirkungsvoll. Der PR-Stab der Machtzentrale, verstärkt durch den forschen Wahlkampfmanager David Plouffe, hat für die Kurswende bereits das passende Logo gefunden. Obama 2.0.

Auch der Schuldenberg soll kleiner werden, denn neben der Jobkrise ist es die Angst vor andauernden Billionendefiziten, die auf die Stimmung drückt. Für drei Jahre, so wird es Obama in seiner Rede verkünden, friert der Bund seine Ausgaben auf dem heutigen Niveau ein, wobei die Budgets des Pentagon ebenso ausgeklammert werden wie Entwicklungshilfe, Heimatschutz und Zahlungen an Kriegsveteranen.

Populismus? "Weit gefehlt", kontert Obama, lieber sitze er nur vier Jahre im Oval Office und riskiere etwas, statt nach acht Jahren Mittelmaß seinen Hut zu nehmen. Der Sarkasmus war kaum zu überhören, als er auf ABC Sawyer sein Leid klagte. "Sind die Umfragewerte im Keller, bist du ein Idiot. Sind sie hoch, bist du ein Genie." (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2010)