"Monumentale Verewigung menschlicher Bestialität" zwischen temporärer Erweiterung und dauerhafter Verwahrlosung: Hrdlickas "Stein der Republik" mit Bronze-Statue "Marsyas".

Foto: Lehne

Anmerkungen zum Zustand des "Mahnmals gegen Krieg und Faschismus" anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedächtnistages.

Aus Anlass des Todes Alfred Hrdlickas im Dezember des Vorjahres hatte die Galerie Hilger die seinerzeit zum 80. Geburtstag des Künstlers arrangierte Präsentation auf dem Albertinaplatz wieder aufgestellt. Ihr Besuch bot Gelegenheit zu einigen Beobachtungen: Zunächst macht der Platz heute einen einigermaßen verwahrlosten Eindruck. Die Grünfläche hinter der eigentlichen Denkmalanlage ist von insgesamt 14 Containern zur Aufnahmen von Streumitteln, Weißglas, Buntglas etc. gesäumt. Die insgesamt sieben in drei Gruppen aufgestellten Hinweistafeln sind verschmutzt, teilweise überklebt und beschädigt. Hat man diese provisorisch wirkenden Informationsständer seit Vollendung des Denkmals vor 20 Jahren jemals repariert oder erneuert?

Die willkürliche, den Gesamteindruck allerdings nicht weiter störende temporäre Platzierung zusätzlicher Bronze-Plastiken demonstrierte, wie heterogen, wie wenig in sich geschlossen und aufeinander bezogen die einzelnen Teile dieses "Mahnmals gegen Krieg und Faschismus" tatsächlich sind. Man bekam auf diese Weise deutlich vor Augen geführt, dass das Denkmal unter großem Zeitdruck und unter Verwendung ganz unterschiedlicher Teile zusammengesetzt wurde, womit auch wieder bewusst wird, wie umstritten Gesamtkonzept und Anordnung seinerzeit waren. Von den Skulpturen wurde nämlich nur das sogenannte "Tor der Gewalt" für diesen Platz geschaffen: Es handelt sich dabei um eine monumentalisierte Darstellung der Gewalt, die der menschlichen Natur anscheinend immanent ist (Hrdlicka: "Der Mensch ist ein Abgrund") und die durch Details, wie einen Gepanzerten mit Ritterhelm, die Aussage enthält: "So war es immer", vielleicht auch: "So wird es immer sein."

Angesichts dieser monumentalen Verewigung menschlicher Bestialität erscheint die dahinter postierte vergleichsweise winzige Darstellung eines bärtigen straßenwaschenden Juden bestenfalls harmlos. Die darübergelegten stacheligen Stäbe – von manchen tatsächlich als Dornenkrone (!) interpretiert – bestenfalls rätselhaft, wenn nicht befremdlich.

Eben dieses von Hrdlicka seit den 1970er-Jahren für diverse Standorte konzipierte Symbol der jüdischen Opfer des NS-Regimes war seinerzeit auch im Zentrum der Kritik gestanden: "Der ewige Jude", schrieb etwa Ruth Beckermann, "wurde zum ewigen Opfer ... So signalisiert das Mahnmal die tröstliche Erkenntnis, dass es übermenschliche böse Mächte waren, die den Juden auf die Knie gezwungen haben."

Verpasste Gelegenheit

Die Integration des dahinter stehenden "Orpheussteins" war eine wohl aus Zeitdruck geborene Verlegenheitslösung, ursprünglich (und auch entsprechend dem Werkvertrag vom 30. August 1983) war hier die Darstellung eines Bombentrichters vorgesehen. Warum der stattdessen aufgestellte männliche Akt, an dem der Künstler bereits seit 1975 gearbeitet hat, an die zivilen Kriegsopfer erinnern soll, bleibt vollkommen unverständlich. Hinter diesen figurativen Darstellungen ragt der sogenannte "Stein der Republik". Auf den ersten Blick ein schwer lesbarer pathetischer Text, unter dem Politikernamen stehen. Für diejenigen, die sich näher damit beschäftigen, der skandalöseste Teil dieses Mahnmals. Hier wurden Auszüge jenes Staatsgesetzblatts vom 1. Mai 1945 in Stein gemeißelt, das als das eigentliche Gründungsdokument jener Doktrin der Wiederaufbauzeit gelten kann, die die Rolle Österreichs als unschuldiges Opfer festschreiben sollte.

Mittlerweile hat man die zusätzlich aufgestellten Hrdlicka-Bronzen zwar wieder entfernt, dabei aber leider die Gelegenheit ungenutzt gelassen, aus der derzeitigen "G'stätten" wieder eine würdige Anlage zu machen. Vielleicht wäre 20 Jahre nach Vollendung des Denkmals und nach dem Tod der drei Protagonisten Waldheim, Zilk und Hrdlicka doch auch der Zeitpunkt gekommen, noch einmal grundsätzlich über das Potenzial dieses Platzes nachzudenken und die Frage zu diskutieren, ob er dauerhaft durch ein missglücktes, ungeliebtes, ja von manchen als beleidigend empfundenes Denkmal blockiert werden sollte.

An dieser zentralen Stelle könnte etwa das vieldiskutierte "Haus der Geschichte" entstehen. Wiewohl die Meinung derer nachvollziehbar ist, die sagen, dass ein solches ohnehin nur schwer auf den Weg zu bringendes Projekt durch eine frühzeitige Standortdiskussion behindert, wenn nicht ganz umgebracht werden könnte. Bedürfte es andererseits aber nicht einer von einem konkreten Ort ausgehenden Vision, um die Lust zu wecken, ein solches Vorhaben tatsächlich anzugehen?

Seine Verwirklichung an dieser Stelle hätte vielfältige symbolische Bedeutung: Aus den zerborstenen Kellern eines Hauses, das einst zum habsburgischen Familienvermögen gehörte, würden die Überreste der hier dem Fliegerangriff vom 12. März 1945 zum Opfer Gefallenen geborgen. Die letzte Bombenlücke Wiens könnte mit einem der Kubatur des Philipphofes entsprechenden, mutigen und anspruchsvollen Bauwerk geschlossen, die hier klaffende städtebauliche Wunde geschlossen werden. Das über dem politischen Schlachtfeld der 1980er-Jahre errichtete Haus könnte schon durch seine bloße Existenz, vielleicht auch durch seine architektonische Gestalt Ausdruck eines reifen, reflektierten Selbstverständnisses der Zweiten Republik werden.

Dabei wäre es sicher auch vorstellbar, in dieses "Haus der Geschichte" Teile des heutigen "Mahnmals gegen Krieg und Faschismus" zu integrieren, allerdings nicht als Mahnmal, sondern als Dokument dafür, mit welcher Naivität und Instinktlosigkeit man in den fernen 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts an dieses Thema herangegangen ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.01.2010)