Glückliche Familienidylle im amerikanischen Wirtschaftswunder der 50er, als Wachstum mit Wohlstand gleichgesetzt wurde. Heute tüfteln Ökonomen an ressourcensparenderen Varianten.

Foto: academic.ru

"Das Bruttoinlandsprodukt misst alles - außer das, wofür sich das Leben lohnt", sagte Robert Kennedy, der Bruder des früheren US-Präsidenten, schon 1968. 1972 verkündete der damalige König der südasiatischen Monarchie Bhutan, dass Glück das erstrebenswerteste Ziel von Entwicklung sein müsse. Daher solle neben dem Bruttoinlandsprodukt auch das Bruttonationalglück erhoben werden. Seit 2008 wird mit dem Index Gross National Happiness die Zufriedenheit der Bewohner des Kleinstaates gemessen, in dem Faktoren wie Wohlbefinden, Gesundheit, Bildung, Staatsführung, ökologische Vielfalt und Spiritualität zentral sind.

Im Schatten der globalen Wirtschaftskrise sind immer mehr Ökonomen der Meinung, dass das BIP als Gradmesser für Entwicklung und Wohlstand überholt ist. Noch heuer startet die EU ein Pilotprojekt für die Ausarbeitung eines neuen Fortschrittsbarometers, der Umwelt- und Lebensqualität als Indikatoren miteinbezieht.

Wie eine nachhaltige und ressourcensparende Wirtschaftsweise mit höherer Lebensqualität vereinbart werden kann, untersucht das Sustainable Europe Research Institute (Seri) in Wien. Der Thinktank ist einer der Mitveranstalter der vom Lebensministerium initiierten und unter anderem vom Wissenschaftsministerium unterstützten internationalen Konferenz "Wachstum im Wandel", die morgen, Donnerstag, und Freitag in Wien stattfindet und Alternativen zu einem rein auf quantitativem Wachstum aufbauenden Wirtschaftssystem aufzeigen will.

Klimaschonend zufrieden

"Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass, obwohl das Einkommen pro Kopf in den reichen Ländern stetig gestiegen ist, die Lebenszufriedenheit gleich geblieben bzw. leicht gesunken ist", sagt Ines Omann, Umweltökonomin am Seri. "Wir glauben, dass nachhaltige Entwicklung auch bedeutet, die Bedürfnisse der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen zu erfüllen. Und das erhöht die Lebensqualität", erklärt Omann. "Umgekehrt führt eine hohe Lebensqualität dazu, dass die Menschen bewusster mit der Natur und ihrer Umwelt umgehen und auch nachhaltiger leben. Für diese Hypothesen gibt es schon Bestätigungen."

Um mehr über die Zusammenhänge zwischen klimaschonendem Verhalten und Zufriedenheit bzw. Glück herauszufinden, führt das Seri derzeit das Forschungsprojekt "Lebensklima" durch: In zwei Fallstudienregionen - Gmunden als Beispiel für eine kleinstädtische Region und Graz als städtischer Ballungsraum - werden die Bewohner zu ihrem Lebensstil und Ressourcenverbrauch sowie ihrer Wahrnehmung von Klimawandel und Lebensqualität befragt. Dabei wird auf das Konzept von "Erlebnismilieus" zurückgegriffen, das Menschen je nach ihrem Lebensstil dem Niveau-, Harmonie-, Selbstverwirklichungs- oder Unterhaltungsmilieu zuordnet.

"Wir wollen auf lokaler Ebene untersuchen, ob ein gewisses Milieu auch einen bestimmten Ressourcenverbrauch hat", schildert Omann. "Es hat sich etwa gezeigt, dass im Harmoniemilieu, wo eher traditionelle Werte gelten, viel Zeit zu Hause verbracht und vieles repariert wird, weniger Ressourcen verbraucht werden als in anderen Milieus."

Die Ergebnisse des Projekts, das noch bis Mai läuft, sollen in die Entwicklung von Maßnahmen für nachhaltigere Lebensstile münden. "Menschen sollten ihren Lebensstil ändern, nicht weil sie müssen, sondern weil sie merken, dass es ihnen guttut", beschreibt Ines Omann ein Ziel. Schließlich gebe es verschiedene Strategien, um sich ein bestimmtes Bedürfnis zu erfüllen, und die könnten mehr oder weniger nachhaltig sein.

Ressourcen und Stoffwechsel

Um einen Wechsel der Lebensgewohnheiten und eine Einschränkung des Ressourcenverbrauchs komme die heutige Gesellschaft nicht umhin, meint auch Nina Eisenmenger vom Institut für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt. "Eine Änderung des Lebensstils bedeutet nicht, dass dadurch die Lebensqualität sinken muss. Es gilt, andere Schwerpunkte zu setzen", sagt Eisenmenger, die auch bei der Konferenz "Wachstum im Wandel" referieren wird.

Erste Anzeichen für einen Wandel gebe es im Lebensmittelbereich, wo das Bewusstsein für regionale Produkte steige, wofür die Menschen auch in Kauf nehmen würden, nicht das ganze Jahr das volle Angebot, etwa an Früchten, konsumieren zu können.

Eisenmenger erforscht "an der Schnittstelle von Mensch und Natur" den sogenannten gesellschaftlichen Metabolismus oder Stoffwechsel, also wie viele Ressourcen eine Gesellschaft verbraucht und wie dies mit den ökologischen, kulturellen und ökonomischen Strukturen zusammenhängt. Anhand von historischen statistischen Daten wird derzeit etwa analysiert, wie sich der Übergang von Agrar- zu Industriegesellschaften gestaltete, um besser verstehen zu können, wie ein Wechsel zu einer nachhaltige- ren Gesellschaft vonstattengehen könnte.

"Die Nutzung von alternativen statt fossilen Energieformen ist ein guter Ansatz", sagt Eisenmenger. "Aber man darf nicht vergessen, dass die Entwicklungsländer beim Energieverbrauch erst nachziehen. Es geht darum, dass wir weniger verbrauchen müssen." Das könnte nur mit einer Reduzierung der Arbeitszeit gelingen, meinen viele Ökonomen, was zu weniger materiellem Konsum bei gleichzeitig mehr Freizeit führe - und somit zu einer neuen Art von Wohlstand und höherer Lebensqualität.

Auch wenn noch keine Umkehr des Wachstumsparadigmas absehbar ist: "Ein Viertel bis ein Drittel der Menschen in entwickelten Ländern fühlen sich immer weniger wohl, leiden unter Druck oder Burnout", sagt Ines Omann. "Sie spüren, dass sie nicht viel vom Wirtschaftswachstum haben."

Auch wenn die glücklichsten und gesündesten Menschen immer noch in den reichen, hochentwickelten Ländern leben - wenn man Lebenszufriedenheit und ökologischen Fußabdruck verbindet, punkten andere. Laut dem im Juli 2009 veröffentlichten Happy Planet Index der britischen New Economics Foundation fühlen sich die Bewohner von Costa Rica am wohlsten - und verbrauchen dabei die wenigsten Ressourcen. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 27.01.2010)