Google (im Bild der Firmensitz in Peking) will sich Chinas Überwachung keinesfalls länger beugen und hält an seiner Forderung nach unzensierter Suche fest. Foto: Reuters

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Der Konflikt zwischen dem Onlinekonzern Google und China war ein viel beachtetes Thema bei der vom Burda-Verlag veranstalteten DLD (Digital Life Design), der wichtigsten europäischen Konferenz über digitale Entwicklungen. "Es war von Anfang an für uns problematisch und unangenehm, unsere Suchergebnisse in China zu zensieren", sagte Dave Drummond, der als Google-Vizepräsident und oberster Jurist für Unternehmenspolitik und damit für das Management des Konflikts mit der chinesischen Regierung verantwortlich ist. "Wir haben immer gesagt, dies ist eine Ausnahme, und wir hofften, dass wir durch unsere Tätigkeit in China eine größere Online-Offenheit begünstigen könnten. Aber das passierte nicht, im Gegenteil, die Fesseln wurden enger gezogen", erklärte er vor einem internationalen Publikum.

"Internet-Zensur ist eine reale Gefahr, nicht nur in China"

Aber erst die massiven Hackerangriffe aus China hätten im Google-Management die Entscheidung herbeigeführt, eine offene Konfrontation einzugehen und die chinesische Regierung vor die Alternative zu stellen, entweder eine unzensierte Suche zu ermöglichen oder auf Google zu verzichten. "Wir wissen, dass diese Angriffe aus China kamen, organisiert und politisch motiviert waren und die Gmail-Konten von Menschenrechtsaktivisten in China, Europa und den USA angegriffen haben", sagte Drummond. "In Verbindung mit diesen konzertierten Attacken wurde beschlossen, dass wir in China so nicht mehr weitermachen können."

"Internet-Zensur ist eine reale Gefahr, nicht nur in China", sagte Drummond. Es wäre an der Zeit, dass sich "Regierungen involvieren und Druck auf andere Regierungen ausüben, die Internet eingrenzen wollen".

Google erhielt für diese Entscheidung vom Publikum und prominenten Teilnehmern an der DLD viel Zustimmung, handelte sich aber profilierte Kritik des in Wien und Taijin (China) lebenden US-Zukunftsforschers John Naisbitt ein, der in China ein Forschungsinstitut unterhält. Unter den Unterstützern fand sich Wikipedia-Gründer und Chef von Wikimedia, Jimmy Wales, der über die Schwierigkeiten der Einrichtung einer chinesischen Wikipedia berichten konnte. Diese ist seit 2008 nach langwierigen Verhandlungen in China zugänglich, obwohl sie drei Jahre zuvor gegründet wurde. Und auch jetzt würde sie überwacht und einzelne Artikel würden in China gesperrt sein.


Forderung nach Transparenz

Naisbitt, der vor kurzem mit seiner Frau Doris das Buch "Chinas Megatrends" herausbrachte, warf Google hingegen Opportunismus bei seiner Entscheidung vor. "Hätte Google diese Entscheidung auch getroffen, wenn sie Marktführer in China wären?", eine Position, die die chinesische Suchmaschine Baidu hält. Der Westen hätte noch immer nicht begriffen, dass China längst dabei sei, seine Strukturen zu ändern und dieses Jahrhundert zu bestimmen. Kriminelles Hacking, das aus Russland komme, sei um ein Vielfaches größer als jenes aus China, sagte Naisbitt.

Trotz Zustimmung für Googles Haltung gegenüber China nutzte Burda-CEO Paul-Bernhard Kallen die Gelegenheit zu Kritik daran, dass der Internetkonzern Verlage nicht dafür entschädige, in seiner Suchmaschine "Snippets" (die ersten Zeilen von Artikeln) zu zeigen. Google und Burda seien seit langer Zeit Partner, aber "sie sind inzwischen so erfolgreich, dass sie in Deutschland 90 Prozent des Marktes beherrschen. Damit sind sie ein Infrastruktur-Unternehmen geworden", das "transparent" sein müsse - ein Standpunkt, den die deutschen Verlage auch vergangene Woche gegenüber dem Bundeskartellamt deponiert haben. Indirekt wird damit Google vorgeworfen, dass es die Reihung seiner Suchergebnisse aufgrund seiner wirtschaftlichen Interessen beeinflusse.

"Die Nachricht ist angekommen", sagte Drummond, auch wenn man jährlich rund sechs Milliarden Dollar an Werbegeldern mit Verlagen teile, wolle man durch "gute Partnerschaft" entstandene Konflikte bereinigen. "Es ist uns wichtig, dass nicht nur unsere User Vertrauen zu uns haben, sondern auch unsere Geschäftspartner." (Helmut Spudich aus München, DER STANDARD Printausgabe 27. Jänner 2010)