London/Washington/Sanaa - Vor der Jemen-Konferenz in London hat die Regierung des Landes von der internationalen Gemeinschaft mehr Hilfe gefordert. Der Jemen brauche "sowohl internationale Unterstützung, um die Infrastruktur aufzubauen und die Armut zu bekämpfen, als auch gegen den Terror zu kämpfen", sagte Außenminister Abubakr al-Qirbi dem britischen Sender BBC vor dem Treffen am Mittwochnachmittag. Die "Washington Post" berichtete unterdessen unter Berufung auf hohe amerikanische Regierungsbeamte, das US-Militär und amerikanische Geheimdienste hätten jemenitische Truppen in den vergangenen Wochen beim Anti-Terrorkampf stark unterstützt. Bei gemeinsamen Geheimoperationen seien zahlreiche Verdächtige getötet worden.

Außenminister Qirbi betonte, dass die Regierung in Sanaa keine ausländischen Truppen im Land wolle, um gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel vorzugehen. Amerikanische Stützpunkte auf jemenitischem Boden wären "unvorstellbar".

Risiko

Alarm geschlagen hat Qirbi auch in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters: "Ich hoffe nicht, dass der Jemen zum gescheiterten Staat wird, aber das Risiko besteht natürlich." Wurzel allen Übels im Jemen seien die wirtschaftlichen Probleme und die damit einhergehende bittere Armut und hohe Arbeitslosigkeit besonders unter jungen Jemeniten. "All das bereitet einen Nährboden für Radikalisierungen." Deshalb müsse die internationale Gemeinschaft seinem Land dringend wirtschaftlich unter die Arme greifen.

An der Londoner Jemen-Konferenz am Nachmittag nehmen Vertreter von 21 Staaten teil. US-Außenministerin Hillary Clinton landete am Mittwoch in der Früh in der britischen Hauptstadt. Zu dem zweistündigen Treffen ist auch der jemenitische Ministerpräsident Ali Mohammed Mujawar angekündigt. Der britische Premierminister Gordon Brown hatte nach dem versuchten Attentat auf eine US-Maschine auf dem Anflug auf Detroit zu Weihnachten zu dem Treffen eingeladen. Ein Nigerianer, der angeblich im Jemen von der Al-Kaida ausgebildet worden war, hatte versucht, Sprengstoff auf dem Flug nach Detroit zu zünden. Das schlug allerdings fehl und der junge Mann wurde überwältigt.

London warnt

Der Staatssekretär im britischen Außenministerium, Ivan Lewis, sagte, es sei sehr wichtig, dass die internationale Gemeinschaft - und vor allem die ölreiche Nachbarn des Jemen - das Land unterstützten. Andernfalls könnte es zu einem gescheiterten Staat werden - "die Folgen kennen wir alle nur zu gut". Jemen sei nicht gescheitert, "aber ein unglaublich fragiler Staat, und deshalb ist dieses Treffen wichtig". Premier Brown hatte zuvor den Jemen als "Brutstätte und potenziellen sicheren Hafen für Terrorismus" bezeichnet. Die westlichen Staaten wollen die Regierung von Präsident Ali Abdullah Saleh im Gegenzug für ihre Hilfe dazu verpflichten, entschiedener gegen Terrorgruppen vorzugehen. Nach dem zweistündigen Jemen-Treffen beginnt am Donnerstag in London die internationale Afghanistan-Konferenz.

Neben der zunehmenden Bedrohung durch die Al-Kaida sieht sich die Regierung in Sanaa auch mit einer Unabhängigkeitsbewegung im Süden sowie einem jahrelangen Aufstand schiitischer Muslime im Norden konfrontiert. Insbesondere letzterer Konflikt spitzte sich zuletzt erheblich zu, nachdem dieser auf den reichen Nachbarn Saudi-Arabien übergriff. Die schiitischen Houthi-Rebellen nahmen dort im November Gebiete ein. Der weltgrößte Erdölexporteur reagierte mit einer militärischen Offensive. Am Montag bot Rebellenchef Abdul-Malik al-Houth Saudi-Arabien einen Waffenstillstand an. Am Dienstag erklärten die Aufständischen ergänzend, sie hätten sich völlig aus dem Königreich zurückgezogen, was allerdings im Umfeld jemenitischer Stämme, die zur Regierung in Sanaa halten, bezweifelt wurde. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Riad sagte, das Angebot für eine Waffenruhe werde geprüft. Rebellenchef Al-Houth drohte Saudi-Arabien mit "offenem Krieg", sollte das Land weiter gegen die Aufständischen vorgehen.

Laut "Washington Post" nahmen US-Berater in den vergangenen Wochen nicht aktiv an den Aktionen der Armee im Jemen teil. Sie halfen jedoch, die Aktionen zu planen und Taktiken zu entwickeln. Den jemenitischen Streitkräften seien dabei hochsensible Geheimdienstinformationen zugänglich gemacht worden. Außerdem hätten die USA Waffen und Munition geliefert. Unter den Toten seien sechs der 15 Top-Terroristen des jemenitischen Ablegers der Al-Kaida, hieß es. Die Operationen, an denen mehrere Dutzende Angehörige eines amerikanischen Spezialkommandos beteiligt gewesen seien, wurden demnach von US-Präsident Barack Obama gebilligt. (APA/Reuters/AFP)