Beim Model European Parliament Austria war für die Gäste Ursula Plassnik (ÖVP) und Josef Lobnig (BZÖ) klar: "Die Kärntner sind keine schlechteren Europäer als irgendjemand sonst."

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Klagenfurt - "Please address the president!", fordert Klara Melbinger, President of the National Model European Parliament (MEP) Assembly jene Delegierten auf, die es wagen, ohne Dank das Wort zu ergreifen. Verlegen rückt sich der junge Parlamentarier die Krawatte zurecht, bevor er sich erhebt und in englischer Sprache an das Komitee wendet.

Mag diese Szene auch auf den ersten Blick an eine Sitzung des EU-Parlaments in Brüssel erinnern, so täuscht dieser Eindruck. Von den Delegierten, die sich von 21. bis 24. Jänner Amendments, Resolutionen und Komiteepräsidenten stellten, wurde Souveränität und professionelles Auftreten verlangt. "Ich bin sehr erstaunt über die große Disziplin, die hier herrscht", lobt "Hausherr" Josef Lobnig (BZÖ), erster Landtagspräsident Kärntens, die Nachwuchsparlamentarier. Als letztem Bundesland kam heuer Kärnten die MEP-Gastgeberrolle zu.

Besonders freute das Ex-Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP), die an ihre ehemalige Schule (Ingeborg-Bachmann-Gymnasium) zurückkehrte, um mit den Schülern über aktuelle Europapolitik zu sprechen. Kärntens Beziehung zur EU sieht sie trotz des geringen Zuwachses der Wahlbeteiligung an der EU-Wahl von nur 0,08 Prozent zwischen 2004 und 2009 auf insgesamt 36,10 Prozent nicht problematisch: "Hier ist meine Heimat. Die Kärntner sind keine besseren oder schlechteren Europäer als irgendjemand sonst."

Plassnik legte bei ihrem Vortrag ein besonderes Augenmerk darauf, was Emotionen in der Politik bewirken würden, wobei die Angst eine zentrale Rolle spiele. Gegenüber den Jugendlichen zeigte sie aber Verständnis dafür, auf dem "alternden Kontinent Europa mehr und mehr um seine Sicherheit besorgt zu sein".

Die jungen Abgeordneten wollten von Plassnik wissen, wie sie die EU-Erweiterung in der Zukunft einschätze. "Ich glaube, dass wir mit Lissabon die nächsten zehn Jahre gut leben können", erwiderte die Abgeordnete. Sie schließe aber nicht aus, dass noch ein wesentlicher Teil des Balkans zur Union dazukommen werde.

Harte Parlamentsarbeit

Die Sitzungen, die die Jugendlichen abhielten, waren Teil einer Simulation des Europäischen Parlaments. In den Komitees wurden über drei Tage hinweg bis zur großen Plenarsitzung Resolutionen ausgearbeitet. Diese bestehen im Wesentlichen aus zwei Teilen: erstens der Präambel, in der auf Probleme hingewiesen wird, um nicht zuletzt deren Hintergründe zu beleuchten, und zweitens dem operativen Abschnitt, in dem die Lösungen geboten werden. So sollte sich beispielsweise das Komitee für Umwelt, Gesundheitswesen und Lebensmittelsicherheit um Raucherschutzregelungen oder gesunde Ernährung kümmern. Das Ressort Industrie, Forschung und Energie interessierte sich besonders für die Nutzung alternativer Energien, allerdings wurden von den Jugendlichen auch Pläne für Atommüll diskutiert. Dem Kultur- und Bildungsressort gelang es besonders erfolgreich, den jungen Parlamentariern Zugänge auf direkten Ebenen zu schaffen und sie direkt zu involvieren. Die Bürgerrechte, Justiz und Innenpolitik gehörten zu den am heftigsten diskutierten Themen. Nach der Pause in der Plenarsitzung wurde kommentiert, dass es mit Sicherheit "erst jetzt richtig spannend wird".

In dieser Arbeitsgruppe wurden Fragen zu Migration und Integration diskutiert, wobei man schon an Begriffsdefinitionen von "Immigranten" und "Flüchtlingen" scheiterte und Bulgarien versehentlich außerhalb der EU platzierte. Diskurse lieferte man sich über Migrationsquoten, das Erlernen der Landessprache sowie finanzielle Fördermittel, die das Komitee vor allem gerne NGOs zugesprochen hätte. Der Vorschlag der Neugründung einer eigenen EU-Organisation wurde abgelehnt.

Eine andere Arbeitsgruppe produzierte täglich die Tageszeitung Daily Delegate, in der über wichtige Ereignisse, Vorträge und Diskussionen berichtet wurde.

Als es um das Thema politischer Bildung an Schulen ging, meldeten sich Lobnig und Plassnik euphorisch zu Wort. "Wir wissen, dass politische Bildung nur im Rahmen des Geschichtsunterrichts stattfindet und gestreift wird. Es wird nicht vertiefend auf unterschiedliche Regierungssysteme eingegangen", meinte Lobnig. Plassnik hielt sich kürzer: "Hier gibt es massiven Nachholbedarf." Sie bewertet die europäische Bildung in Österreich mit "Nicht genügend". (Bath-Sahaw Baranow und Magdalena Legerer aus Klagenfurt, DER STANDARD, Printausgabe 27.1.2010)