ZUR PERSON:

Gottfried Oehl (geb. 1962) unterrichtet Englisch und Politische Bildung am Theresianum in Wien und koordiniert das Model European Parliament Austria (MEP) seit 1997.

Foto: Privat

STANDARD: Sie engagieren sich schon seit 14 Jahren für das MEP. Wie sind Sie dazu gekommen?

Oehl: Bei einer Reise der österreichischen Delegation zu einer EU-Jugendsitzung habe ich bemerkt, dass ich mit meiner doppelten Identität als Österreicher und Engländer in England nicht so gern gesehen war. Man hat nicht unterschieden zwischen österreichischem Deutsch oder deutschem Deutsch, weil es einfach negativ besetzt war. Während es in Österreich immer schick war, eine andere Identität zu haben. Das war ein Beweggrund, mich in diesem Bereich zu engagieren.

STANDARD: Welche Rolle spielt dabei heute die EU?

Oehl: Meine Erfahrung passierte in einer anderen Zeit, die gar nicht so lange zurückliegt. Ich glaube, dass man aus diesen Erfahrungen heraus jungen Menschen, die diese Hindernisse nicht haben, aber die Vorteile einer Zwei- oder Dreisprachigkeit besitzen, das Vordringen in andere Kulturen ermöglichen muss. Diese zu verstehen und zu erfassen ist ein enormer Vorteil. Und dass gerade in der Europäischen Union, wo auch eine breite Mobilität gegeben ist, das ist einfach großartig. Leider wird das aber nicht so vermittelt.

STANDARD: Was sollte den Jugendlichen heute vermittelt werden?

Oehl: Man sollte diese Voreingenommenheit gegenüber anderen Menschen - auch jenen aus anderen Bundesländern - ablegen. Denn man merkt bald, dass viele Klischees gar nicht stimmen. Dass man viel mehr Gemeinsamkeiten hat, wenn man Probleme zusammen angehen und lösen will. Dass man voneinander lernen kann. Und dass man im Kontext der EU von den europäischen Partnern sehr viel lernen kann. Denn sie arbeiten an denselben Dingen wie wir. Ich vergleiche das gerne mit einer Überschwemmung. Sobald ein Fluss über Landesgrenzen tritt, sagt jeder: "Jessas, da südlich von Wien gibt es eine Überschwemmung." Dass aber dieses Hochwasser den Nachbarn in Ungarn oder der Slowakei die gleichen Probleme macht und wie damit umgegangen wird, zeigt, dass man überregional an vielen Dingen arbeiten kann. Denn: Wir haben alle dasselbe Wetter. Jugendliche sollten lernen, nicht als eigensinnige Streber zu agieren, sondern zeigen, dass sie auch im Team arbeiten können und Verantwortung für andere übernehmen. (Bath-Sahaw Baranow, STANDARD, Printausgabe, 27.1.2010)