Graz - Mit dem jährlichen Schnee tauchen allerorts auch meterlangen Holzstangen auf. Zumindest in den Städten, wo die Stäbe auf die Gefahr von herabstürzenden Dachlawinen hinweisen sollen. Eine notwendige Warnung zwar, für Rollstuhlfahrer jedoch bisweilen ein ärgerliches Hindernis.
"Ganz bitter allerdings" sagt, Michael Bachler, "sind die Stangen für sehbehinderte Menschen". Bachler, Sprecher des steirischen "Blinden- und Sehbehindertenverbandes" im Gespräch mit dem Standard: "Die Lawinenwarnstangen sind ein kaum wahrnehmbares Hindernis mit hohem Verletzungsrisiko für blinde und schwer sehbehinderte Menschen. Diese sind ganz besonders gefährdet, in die Falle zu tappen." Warnstangen stünden aus versicherungstechnischen Gründen meist den ganzen Winter über an Hauswänden gelehnt. Denn: Wer durch eine Lawine zu Schaden komme, könne vom Hausbesitzer keinen Schadenersatz verlangen, wenn dieser auf die mögliche Gefahr hingewiesen habe.
Blindenhunde reagieren nicht
Diese Schneewarnstangen seien bei meist schlechten winterlichen Lichtverhältnissen aber schwer sichtbar. Bachler: "Blinde orientieren sich auch an der Akustik. Schneestangen sind wegen ihrer geringen Dicke aber akustisch nicht ähnlich wahrnehmbar wie zum Beispiel Hauswände oder Autos. Und selbst gut ausgebildete Blindenführhunde erkennen unter Umständen diese Gefahr nicht." Die Stangen befänden sich auf Kopfhöhe, "was eine Kollision mit ihnen besonders schmerzhaft macht", sagt Bachler.
Vor wenigen Tagen sei wieder ein Mitglied des Verbandes an Nase und Stirn verletzt worden und habe sich eine blutende Wunde zugezogen. Auch Sophia Hameter machte einschlägige Erfahrungen: "Es bedeutet für mich höchste Konzentration, diese Dinger nicht umzuwerfen, darüber zu stolpern oder daran zu stoßen. Gerade letzte Woche habe ich mir dabei, einmal mehr, eine blutige Nase geholt. Als stark seheingeschränkte Frau ist es zurzeit sehr mühsam, zu Fuß zu gehen."
Abhilfe könnten, so Schober, spezielle, vom Verband entwickelte Dachlawinenfahnen schaffen. Sie werden über Kopfhöhe an Hauswänden fixiert und könnten weit sichtbar vor Dachlawinen warnen. Ohne zu behindern. (Walter Müller, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Jänner 2010)