Wien - Ein Werbebrief der Sozialdemokraten oder bloß ein Hinweis auf demokratische Instrumente? Ein Brief von Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ), der dem Standard vorliegt (siehe Faksimile), regt die Rathaus-Opposition gehörig auf. Brandsteidl schreibt an die Direktoren der Wiener Schulen, dass sie es für wünschenswert hält, "wenn sich gerade junge Menschen verstärkt für Stadtpolitik interessieren" .
Die Volksbefragung, die von 11. bis 13. Februar durchgeführt wird, sei "dazu ein Mittel" , findet Brandsteidl. Sie ersucht daher die Direktoren, "das demokratiepolitische Instrument Volksbefragung auch in der Schule zu thematisieren" , Plakate aufzuhängen und auf die Plattform www.wienwillswissen.at hinzuweisen. Auf dieser Website gibt es Blogs zu den fünf Themen (Hausbesorger, Ganztagsschule, Citymaut, Hundeführerschein, durchgängiger U-Bahn-Verkehr am Wochenende) der Volksbefragung. Die Schüler könnten sich mit ihrem Facebook-Account registrieren und ihre Meinung posten.
Erlaubt, aber "grenzwertig"
"Mit dieser Volksbefragung haben die Wienerinnen und Wiener die Möglichkeit, ihr unmittelbares Lebensumfeld mitzugestalten" , verspricht Brandsteidl den Empfängern. Verboten ist diese Form der politischen Werbung nicht, schließlich gibt der Stadtschulrat ja keine Empfehlung ab, wie die Schüler - wahlberechtigt sind alle, die bis zum 13. Februar das 16. Lebensjahr vollenden - abstimmen sollen. Als "Bewusstmachen einer Partizipationsmöglichkeit" sieht der Sprecher des Stadtschulrats, Matias Meißner, diesen Brief. Parteiwerbung der SPÖ sei das "in keinster Weise" , schließlich habe ja auch die Stadt die Info-Materialien und Plakate erstellt - und nicht die SPÖ selbst.
Die nichtamtsführende ÖVP-Stadträtin Isabella Leeb hält das Schreiben hingegen für "zumindest grenzwertig" . Hintergrund der Kritik: Die SPÖ hat die Fragen nicht nur im Alleingang formuliert, die Volksabstimmung wurde auch mit der absoluten roten Rathausmehrheit beschlossen. Um "parteipolitische Propaganda" handle es sich nun bei Brandsteidls Brief, junge Menschen würden regelrecht zum Wählen abkommandiert: "Hier wird politische Bildung zur Mobilisierung missbraucht" , sagte Leeb zum Standard, und: Es sei "nicht Aufgabe einer Stadtschulratspräsidentin, aktiv Propaganda für ein von ihrer Partei missbräuchlich eingesetztes Demokratieinstrument zu betreiben" . (Andrea Heigl/DER STANDARD-Printausgabe, 28. Jänner 2010)