Innsbruck/Wien - Allein die Polen sind nicht mehr zu kriegen. Ihre vorzeitige Qualifikation fürs Halbfinale ist eine Überraschung und auch nicht. Einerseits sind die Polen bei Europameisterschaften noch nie über einen siebenten Platz hinausgekommen, andererseits haben sie sich vor Jahren als große Handballnation etabliert, WM-Silber 2007 folgten der fünfte Olympia-Rang 2008 und WM-Bronze 2009.
Nun, in der Innsbrucker Hauptrunde, liegt Polen gleichauf mit Frankreich an der Spitze. Und die Spanier, die zwei Punkte Rückstand aufweisen, aber das direkte Duell mit Polen verloren, müssen hoffen, dass Polen gegen Frankreich gewinnt, und ihrerseits Slowenien bezwingen. Lauter große Handballnationen. Wie auch jene, die in Wien ums Semifinale streiten. Da wären die Kroaten, denen schon ein Punkt gegen Titelverteidiger Dänemark genügt. Freilich haben es auch die Dänen noch selbst in der Hand, mit einem Sieg sind sie weiter. Und die Karten Islands sind im direkten Duell jedenfalls besser als jene Norwegens.
Österreich, das sich Donnerstag (18 Uhr) mit einem Sieg über Russland verabschieden will, ist keine große Handballnation. Diese Tatsache, unter dem Strich, führte zur bitteren Niederlage gegen Kroatien. Nach dem 23:26 waren Spieler, Betreuer und Fans empört über die schwedischen Referees. Teamchef Dagur Sigurdsson hatte im Finish und erstmals in seiner Karriere die Rote Karte gesehen.
"Ich habe mehr als zweitausend Spiele miterlebt, daher weiß ich, wenn man verarscht wird" , sagte Sigurdsson. Gestern wurde er vom europäischen Verband (EHF) ein halbes Jahr bedingt gesperrt, die Geldstrafe (2000 Euro) wird Österreichs Handballbund (ÖHB) übernehmen. "Wir sind zu weit gegangen" , stelle Sigurdsson fest und gleichzeitig klar, dass er sich weniger über die Referees als über den slowenischen EHF-Supervisor ärgerte, der mit zweierlei Maß gemessen habe.
Der Wiener Wickel mit der EHF ist insofern bemerkenswert, als die EHF in Wien sitzt und mit Michael Wiederer einen österreichischen Generalsekretär hat. Die ÖHB-Spitze tanzte gestern bei Wiederer an, um die Referee-Leistung im Kroatien-Spiel zu besprechen, die Besprechung hat an der Referee-Leistung überraschenderweise nichts geändert. Insider kritisieren den ÖHB, der es nicht geschafft habe, seinem Team das nötige Standing zu verschaffen. Ein Standing, das große Handballnationen längst haben. "Kroatien" , stellte Österreichs Kapitän Viktor Szilagyi fest, "hat sich den Respekt der Schiedsrichter jahrelang hart erarbeitet."
Schiedsrichter haben im Hand- ähnliche Macht wie im Fußball, obwohl wesentlich mehr Tore fallen. Viele Partien entscheiden sich im Finish, jeder nicht gegebene Siebenmeter, jedes übersehene Stürmerfoul fällt ins Gewicht. Während einer Partie gibt es etliche strittige Situationen. "Die kannst du dir hundert Mal auf Video anschauen" , sagt Szilagyi, "und du kannst sie immer noch für die eine oder für die andere Mannschaft pfeifen." Gute Schiedsrichter schaffen es, bei zehn solchen Szenen fünfmal so und fünfmal so zu entscheiden, in gut eingespielten Gespannen gleicht ein Referee oft schon im nächsten Spielzug einen strittigen Pfiff seines Partners wieder aus.
Weniger gute Schiedsrichter können eine Partie in eine Richtung lenken. Oder sie wollen das von vornherein. Was eine Nation wie Österreich dagegen tun kann? "Wir müssen so gut werden" , sagt Szilagyi, "dass die Schiedsrichter auch uns respektieren." (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Donnerstag, 28. Jänner 2010)