In Ottakring hat man die Mehrheit gefunden, die im Parlament noch gesucht wird: Der Wiener Bezirk hat Mitte Dezember eine Resolution mehrheitlich verabschiedet, in der die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung gefordert wird. Immerhin.

Das Engagement in Ehren - Österreichs Kindern wird es nichts nützen. Denn in der Bundespolitik dienen die Rechte der Kinder lediglich als politische Verschubmasse. Ein Versuch, die UN-Kinderrechtskonvention in Verfassungsrang festzuschreiben, scheiterte im Nationalrat erst Ende 2009. Schuld daran waren - wieder einmal - die anderen. Die Opposition habe das verhindert, argumentierten die Regierungsparteien, weil sie sich weigere, bei Zwei-Drittel-Materien mitzustimmen - als Revanche dafür, dass Rot-Schwarz den Spionage-Untersuchungsausschuss abgedreht hat.

Was nicht gesagt wird: Die Grünen und die FPÖ hätten so oder so nicht mitgestimmt - der Entwurf ging ihnen nicht weit genug.

Es ist nämlich mehr als Symbolik, die sich hinter dem abstrakt klingenden Slogan "Kinderrechte in der Verfassung" verbirgt. Es geht darum, Kinder als autonome Wesen zu begreifen - und nicht als Familienanhängsel, als Objekte, über deren Köpfe einfach hinwegbestimmt werden kann. Es geht beispielsweise darum, dass Kinder das Recht auf den regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen erhalten - oder dass sich bei Delogierungen aufgrund des Kindswohls die Entscheidungen verschieben könnten.

Allerdings bleibt die Frage, ob denn auch Kind gleich Kind ist. Gut zu beobachten ist dies in der Debatte über Asylwerber. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) will eine strenge Anwesenheitspflicht in den Aufnahmezentren. Wer Asyl beantragt, soll im Lager bleiben.

Wären Kinderrechte in der Verfassung festgeschrieben, dürfte sie das Vorhaben zumindest bei Minderjährigen vergessen können. Selbst der vorliegende Regierungsentwurf lässt das nicht zu, sind sich Kritiker sicher. "Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein" , heißt es im Artikel 1. Kasernierung wird hier nicht gemeint sein. Außerdem: Die "Zufügung seelischenLeides" ist verboten (Artikel 5).

Und das wird nicht der einzige Bereich sein, in dem sich die Vorstellung der Regierung mit den Rechten der Kinder spießt. Nicht zuletzt aus diesem Grund versucht der rot-schwarze Kinderrechte-Entwurf gerade in der Ausländerpolitik mögliche Eingriffe im Ansatz zu verhindern. Eine Art "Gummiparagraf" macht's möglich.

Darin ist eine Beschränkung der dann festgeschriebenen Kinderrechte in Fällen der "nationalen Sicherheit" oder "der Verteidigung der Ordnung" fixiert. Was darunter verstanden wird? Fremdenrecht schlägt Kinderrecht nach der Prioritätenerstellung der Regierung. Ein Beispiel: Wäre das "Recht auf Familienzusammengehörigkeit" verankert, hätten sich wahrscheinlich Kontroversen wie jene um den Verbleib oder eben Nichtverbleib von Arigona Zogaj von selbst erledigt. Sie dürfte wohl bleiben.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist mehr als 20 Jahre alt. Es wäre an der Zeit, sie im Verfassungsrang umzusetzen. Und zwar zur Gänze, nicht nur (wie geplant) in Auszügen. Die Rechte sind nicht teilbar - schon gar nicht zwischen in- und ausländischen Kindern. (DER STANDARD-Printausgabe, 28. Jänner 2010)