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Vier langjährige Arbeitnehmerinnen, unter normalen Umständen unkündbar, wurden wegen  insgesamt illegalen 34 Euro und zwei Cent entlassen - keine Ausnahme.

Foto: APA/dpa/Norbert Försterling

Erfurt - Die obersten deutschen ArbeitsrichterInnen stellen sich in diesem Jahr auf eine Klagewelle als Folge der Wirtschaftskrise ein. Darauf deute die "dramatische Zunahme" von Verfahren in den unteren Instanzen hin, sagte Gerichtspräsidentin Ingrid Schmidt am Mittwoch bei der Vorstellung der BAG-Jahresbilanz in Erfurt. Sein mit Spannung erwartetes Urteil im Fall der Berliner Kassiererin "Emmely" will das Gericht am 10. Juni verkünden. Ein ähnlicher Fall wurde am Mittwoch bekannt: In Worms sollen vier Schwimmbad-Kassiererinnen wegen einer Trinkgeldkasse gekündigt worden sein.

Das Verfahrensplus betrage in manchen Gerichtsbezirken bis zu 30 Prozent, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, sagte Gerichtspräsidentin Schmidt. "Die Klagewelle wird bei uns gegen Ende des Jahres anlanden", prophezeite sie. Im vergangenen Jahr war die Zahl der neu eingehenden Verfahren zwar rückläufig. Die Arbeitsbelastung sei aber weiterhin hoch und eine Entspannung nicht in Sicht.

Kündigung wegen 1,30 Euro

Die Urteilsverkündung im Fall "Emmely" dürfte im Juni auf großes Interesse stoßen: Die Frau war wegen angeblicher Unterschlagung zweier Pfandbons im Wert von 1,30 Euro nach mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit im Februar 2008 entlassen worden. Der Fall löste eine breite öffentliche Debatte aus.

Im Zusammenhang mit solchen Bagatellkündigungen wie im Fall "Emmely" nahm Schmidt ihre RichterkollegInnen gegen Kritik in Schutz. "Die Arbeitsgerichte schauen ganz genau hin, sie schauen nicht weg", betonte die Gerichtspräsidentin. Es finde immer ein sehr komplexer Abwägungsprozess statt, und es gebe keinen Automatismus in den Entscheidungen etwa zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen.

Mit Blick auf die Lohndumping-Vorwürfe im Zusammenhang mit Leiharbeit bei der Drogeriemarktkette Schlecker spielte die oberste deutsche Arbeitsrichterin den Ball zurück und rief die Politik dazu auf, Lösungen zu finden: "Das ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung."

In der Arbeit des BAG im Jahr 2010 wird sich nach Worten Schmidts zudem die Veränderung in der Tariflandschaft des öffentlichen Dienstes bemerkbar machen. Darüber hinaus stünden für ihre RichterkollegInnInnen in den kommenden Monaten auch "Klassiker" an wie etwa unklare Vereinbarungen zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen zu Weihnachtsgeld oder Bonuszahlungen.

Im Jahr 2009 gingen insgesamt 2.322 Verfahren in Erfurt ein, 293 weniger als noch im Jahr zuvor. Das BAG habe 2009 aber immerhin noch die vierthöchste Eingangszahl seit seiner Gründung verzeichnet. Den Löwenanteil mit fast 25 Prozent der Eingänge im vergangenen Jahr machten Streitigkeiten über Kündigungen und befristete Arbeitsverhältnisse aus. In knapp 15 Prozent der Fälle ging es ums Geld.

Vorwand zur Kündigung gesucht

Das Freizeitbad der Stadt Worms hat laut einem Bericht von "Spiegel Online" vier Kassiererinnen wegen einer Trinkgeldkasse entlassen. Demnach hatten die vier Frauen für eine Kaffeekasse insgesamt 34 Euro und zwei Cent gesammelt. Die Freizeitbetriebe sahen darin eine illegale Schwarzgeldkasse und kündigten den Kassiererinnen fristlos, wie es hieß. Während die Staatsanwaltschaft gegen die Frauen ermittelt, ist die Gewerkschaft von deren Unschuld überzeugt.

Laut dem Bericht sind die Frauen zwischen 49 und 55 Jahre alt. Sie seien teils schon seit 25 Jahren im Wormser Schwimmbad beschäftigt und unter normalen Umständen unkündbar, hieß es. Nach Ansicht der Frauen hätten die Freizeitbetriebe nach einem Vorwand gesucht, um sie loszuwerden, hieß es. (APA/apn)