Schimpansenmännchen Freddy aus der Population im Tai-Nationalpark trägt seinen Adoptivsohn Victor auf dem Rücken. Christophe Boesch: "Es war überwältigend zu sehen, wie Freddy, ein großes kräftiges Männchen, die Lücken im Astwerk mit seinem Körper schloss, sodass der kleine wimmernde Victor die Zweige mit den Früchten erreichen konnte.", sagt .

Foto: MPI für evolutionäre Anthropologie / Deschner

Leipzig/San Francisco - Forscher vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie haben im Tai-Nationalpark an der Elfenbeinküste beobachtet, wie 18 verwaiste Schimpansen von anderen Tieren der Gruppe adoptiert wurden - die Hälfte von Männchen, die außer in einem Fall nicht die leiblichen Väter waren. Die erwachsenen Tiere kümmern sich dann für mehrere Jahre intensiv um ihre Pfleglinge.

"In dieser Zeit sind sie ständig mit dem verwaisten Tier verbunden, warten auf das Jungtier, wenn sie den Wald durchqueren, beschützen es in gefährlichen Situationen und teilen ihre Nahrung mit ihm", erläuterte der Leiter des Forscherteams, Christophe Boesch. Dies stehe im Widerspruch zu Beobachtungen bei Zoo-Tieren, berichten die Anthropologen im Fachjournal "PLoS ONE" (Bd. 5, Artikel e8901). In Zoos sei festgestellt worden, dass Schimpansen nur äußerst begrenzt kooperieren oder teilen.

"Wohlstand" verringert Hilfsbereitschaft

Die Fähigkeit zu uneigennütziger Hilfsbereitschaft unter nicht verwandten Gruppenmitgliedern werde seit einiger Zeit ausschließlich den Menschen zugestanden, schreiben die Forscher. Die überraschenden Beobachtungen altruistischer Züge unseren nächsten Verwandten aus dem Tierreich erklären sie sich mit den großen Gefahren in freier Wildbahn. "Dass im Zoo lebende Schimpansen ihre Nahrung nicht miteinander teilen, ist nicht überraschend, da alle Tiere stets wohlgenährt sind", erläutern die Wissenschafter. Unter natürlichen Bedingungen gebe es hingegen viele Situationen, in denen das Überleben eines Schimpansen von der Hilfsbereitschaft einzelner Gruppenmitglieder "begünstigt" werde.

Eine weitere Beobachtung stützt diese These: Im westafrikanischen Tai-Nationalpark wurden mehr Adoptionen beobachtet als bei Schimpansen, die in Ostafrika leben. Grund dafür ist möglicherweise, dass die Tai-Schimpansen ihren Lebensraum mit einer großen Leopardenpopulation teilen. "Die ständige Bedrohung durch diese Großkatzen scheint den Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb der Gruppe gefördert zu haben", schreiben die Leipziger Forscher.

Die Beobachtungen zeigten, dass Schimpansen unter den geeigneten Bedingungen durchaus für das Wohl anderer, nicht verwandter Gruppenmitglieder Sorge tragen. "Nur genaue Beobachtungen freilebender Schimpansen können uns verraten, wie intelligent diese Tiere wirklich sind. Dann, und nur dann, werden wir die Frage beantworten können, was den Menschen zum Menschen macht", schlussfolgerte Boesche. (APA)