Folgendes Gedankenspiel: Ostösterreich wird von einem Beben verheert, das Epizentrum liegt in Bruck an der Leitha. Die Straße ist intakt, Hilfskräfte sind in Wien. Und dann passiert eine Woche - nichts. Es kommen kaum Ärzte. Unvorstellbar? Doch das ist in Haiti passiert. So groß die weltweite Hilfsbereitschaft ist, die praktische Umsetzung war bisher höchst bedenklich. Denn die Uno und die großen Hilfsorganisationen waren offenbar überfordert.

Man darf nicht ungerecht sein. Dass große Maschinen für Bergearbeiten, Feldhospitale samt medizinischem Gerät nicht so einfach über Kontinente hinweg zu transportieren sind, ist klar. Doch dass sich Notärzte innerhalb einer Woche aus Port-au-Prince in ein Gebiet hinauswagen, von dem klar ist, dass es dort schwerste Schäden geben muss, darf man sehr wohl erwarten.

Ärzte ohne Grenzen und kubanische Mediziner haben das nämlich durchaus zustande gebracht. Die Ausrede, es habe zu wenig medizinisches Equipment gegeben, zieht nicht - schließlich haben diese Organisationen auch improvisiert. Das Problem scheint eher zu sein, dass die "Großen" zu sehr mit Bedarfserhebung und Organisation und zu wenig mit Hilfe beschäftigt waren. Bei manchen spielte wohl auch die Sorge um die Sicherheitslage eine Rolle.

Allerdings: Auch künftig wird die Erde in armen Ländern beben - man sollte sich daher bereits jetzt dringend überlegen, wie man dann Ärzte zu ihren Patienten bringt.  (Michael Möseneder, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Jänner 2010)