Wien - Lateinamerika werde für Österreich wirtschaftlich immer wichtiger. Obwohl auch in dieser Weltregion die Wirtschaft zuletzt geschrumpft sei, werde sie sich rascher erholen als die europäische und 2010 im Schnitt wieder ein fünfprozentiges Wachstum aufweisen. Dies sagte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag bei der Jahresversammlung des Österreichischen Lateinamerikainstituts (LAI) in Wien.

Im eigenen Interesse und mehr als manche anderen EU-Staaten stehe Österreich deshalb hinter den Plänen der spanischen Präsidentschaft, die am 17. und 18. Mai in Madrid einen EU-Lateinamerika-Gipfel (EULAC) ausrichtet. Weil heuer etliche lateinamerikanische Länder 200 Jahre Unabhängigkeit von Spanien feiern, ist zu erwarten, dass es viel Kritik an der kolonialen Vergangenheit geben wird. Nach vorn schauend, wollen die Spanier die Beziehungen zwischen den Gipfeltreffen durch eine permanente "EULAC-Stiftung" intensivieren.

"Wir sollen keine Berührungsängste haben, auch nicht zu Kuba" , sagte Spindelegger. "Die Menschenrechtsstandards müssen aber berücksichtigt werden."

Als aktuellsten Problemfall der Region bezeichnete der Minister Honduras, wo am Mittwoch der in umstrittenen Wahlen siegreiche Porfirio Lobo die Präsidentschaft übernahm. Die Wahlen seien von der EU als wichtiger Schritt gelobt worden, sagte Spindelegger, der es bedauerte, dass die vereinbarte Respektierung der Rechte des in einem Putsch abgesetzten früheren Präsidenten Manuel Zelaya nicht zustande kam. "Die Zeit der Diktaturen ist vorbei," sagte Spindelegger, der hoffte, dass dieser die Region entzweiende Konflikt nicht die Assoziierungsverhandlungen der EU mit ganz Zentralamerika beeinträchtigen werde. Begonnen hatten diese Gesprä-che beim EU-Lateinamerika-Gipfel 2006 in Wien.

Für die erste Jahreshälfte 2010 kündigte Spindelegger an, mit einer umfangreichen Wirtschaftsdelegation nach Brasilien reisen zu wollen. Zum Thema Katastrophenhilfe sagte er, dass die Bundesregierung für die Opfer des Erdbebens in Haiti 3,3 Millionen Euro aufgewendet habe.

Brennpunkt Kolumbien

Zur Lage in Kolumbien, wo im Mai gewählt wird, hatte das LAI am Montag ein Symposium in Wien mitveranstaltet, das das österreichische Institut für internationale Politik (OIIP) organisierte. Die Verhältnisse in dem für Österreich wirtschaftlich zunehmend interessanten Land wurden von Experten durchwegs als instabil bezeichnet. Es wird erwartet, dass der konservative Präsident Álvaro Uribe per Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit anstrebt. Zu der von Uribe behaupteten Verbesserung der Menschenrechtslage wurden Zweifel angemeldet. Der interne Konflikt mit der Farc-Guerilla verschärfe auch die Beziehungen Kolumbiens zu den Nachbarn Venezuela und Ecuador, sagte der Politologe Wolf Grabendorff, der auf eine Vermittlung Brasiliens hoffte. (Erhard Stackl/DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2010)