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Acht Jahre Krieg und kein Ende: Eine Transportmaschine der US-Luftwaffe bringt im Frühjahr 2002 Kampfhubschrauber nach Afghanistan,...

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...ein Soldat der neuen afghanischen Armee sitzt auf seinem Raketenwerfer bei einem Kontrollpunkt nahe Bagram.

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Die Feinde, überrollt von der Nordallianz und der US-Armee, wurden zu Beginn unter fürchterlichen Bedingungen gefangengehalten: Taliban-Kämpfer in Shibirgan im Westen des Landes.

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Sprachrohr a. D.: Abdul Salem Zaeef war das öffentliche Gesicht des Taliban-Regimes; dem Führer Mullah Omar hält er bis heute die Treue.

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Von Hamid Karsai gab es im Dezember 2001 nur ein Passfoto, dann machte ihn der Westen zum Regierungschef.

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Nach dem Sturz der Taliban: Zwei Frauen schreiben sich Ende 2001 an der Universität in Kabul ein. 2009 zieht die Regierung nach Protesten ein Ehegesetz zurück – viermal in der Woche Sex und kein Gang aus dem Haus ohne Zustimmung des Mannes, hatte sie festgelegt.

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Graphik: STANDARD

London/Kabul - Die USA sind zuversichtlich, die radikalislamischen Taliban in Afghanistan mit finanziellen Anreizen spalten zu können. Die meisten Kämpfer seien nicht ideologisch motiviert, sagte der US-Sonderbeauftragte Richard Holbrooke am Mittwoch. Mindestens 70 Prozent von ihnen kämpften nicht für Taliban-Führer Mullah Omar oder Al-Kaida und könnten daher in die Gesellschaft integriert werden. Die Uno hat unterdessen fünf Taliban-Führer von der offiziellen Terroristen-Liste genommen. In London erörtern am Donnerstag auf einer internationalen Konferenz Delegationen aus 70 Ländern eine neue Afghanistan-Strategie soll. Die Taliban haben das Treffen auf einer Website als sinnlos kritisiert.

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Der Probelauf vergangene Woche ging schon einmal schief. Nato-Staaten und andere Finanziers der afghanischen Regierung fanden den Plan wenig überzeugend, den Staatschef Hamid Karsai ihnen in Kabul vorlegen ließ und der zeigen sollte, wie seine Minister den Kampf gegen die Korruption führen wollen. "Ja, meine Präsidentschaft ist schwach", gestand Karsai in einem Interview mit der BBC ein.

Bei der internationalen Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London muss der Präsident mehr bieten. Mit Spannung wird erwartet, was Karsai zur Korruption und zum Missbrauch der Milliardenhilfen aus dem Ausland sagt, aber auch wie weit er in seiner Rede mit der Einladung an die Taliban geht. Mehr als acht Jahre nach Kriegsbeginn in Afghanistan soll ein neues Kapitel aufgeschlagen werden: der Anfang vom Ende des Militäreinsatzes der Nato, die Aussöhnung mit jenen radikalislamischen Aufständischen, die bereit sind, den Kampf aufzugeben für Jobs und Macht.

Merkels Not

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte auf die Konferenz in London gedrängt, stellvertretend für alle Regierungschefs, die den Militäreinsatz gegen die zunehmend kritische Stimmung in ihren Ländern verteidigen müssen. Merkel kommt nun nicht ins Lancaster House im Londoner Westend, die Forderungen der Deutschen an die Afghanen wird ihr Außenminister Guido Westerwelle vortragen. Eine unabhängige und dauernde Kommission in Kabul zur Überwachung der Korruptionsbekämpfung ist das Mindeste, so sagen Beobachter voraus. Dazu war Karsais Kabinett vergangene Woche noch nicht bereit.

Doch der Wind hat längst gedreht, Karsai weiß es. 37.000 Soldaten mehr haben ihren Preis. So viel werden die USA und ihre Verbündeten im Lauf des Frühjahrs zusätzlich nach Afghanistan schicken. Erstmals seit dem Sturz des Taliban-Regimes im November 2001, nur zwei Monate nach den Anschlägen von 9/11, wird die Zahl der ausländischen Truppen die 100.000-Marke übersteigen. Der Westen will dafür eine Nebenregierung in Kabul, einen Pool von Vertrauensleuten, die Hamid Karsai die Hand führen.

Akt eins war am Dienstag: Anders Fogh Rasmussen, der Generalsekretär der Nato, ernannte den britischen Botschafter in Kabul zum obersten Zivilbeauftragten der Allianz im Land. Mark Sedwill ist nicht der erste Mann auf diesem Posten, doch er soll der mächtigste werden. Sedwill, ein früherer Vizebotschafter in Pakistan und UN-Waffeninspektor im Irak, wird den Großteil der Aufbauarbeit in Afghanistan koordinieren. Und wohl auch den neuen Fonds für die Wiedereingliederung von Taliban-Kämpfern.

Geld für Aussöhnung

350 Millionen Euro könnten in den nächsten fünf Jahren in diesen Fonds kommen, so stellt es sich die Regierung in Berlin vor. Experten meinen, es müsste doppelt so viel Geld sein, um dauerhaft Mitläufer der Taliban abzuwerben und ihnen Ausbildung und Arbeit zu geben. Keinesfalls gehe es darum, "harte Terroristen in ihrer ideologischen Verbrämung gewissermaßen rauszukaufen" , versicherte der deutsche Außenminister. Die rund 70 Delegationen bei der Londoner Konferenz, darunter von Außenministerin Hillary Clinton geführte US-amerikanische, werden Karsai ihre politische Unterstützung für eine Aussöhnungsstrategie mit den Taliban geben, so ist die Erwartung.

Nicht zufällig strich ein Sanktionskomitee des UN-Sicherheitsrates - es wird von Österreich geleitet - nun fünf hochrangige Taliban-Funktionäre von einer "schwarzen Liste" . Der frühere Außenminister der Taliban, Wakil Ahmad Muttawakil, ist dabei, zwei andere der solchermaßen rehabilitierten Ex-Minister haben ohnehin schon wieder öffentliche Ämter in Afghanistan.

Auch Abdul Salam Zaeef, der frühere Botschafter der Taliban in Pakistan, der in den Wochen nach 9/11 als allgegenwärtiger Sprecher des Taliban-Chefs Mullah Omar fungierte, ist zurück auf der Bühne. Zaeefs Autobiografie erschien nun auf Englisch (My life with the Taliban, Columbia University Press), eine Selbstlegitimation natürlich, aber auch ein Bericht über eine elende Kindheit, den Guerillakrieg gegen die Sowjet-Besatzung und den absurden Staatsversuch der Taliban.

Es ist Zeit für Geschichte. Nach acht Jahren Krieg und ausbleibendem Sieg bohren die Nato-Staaten nach Fehlern. Rund 30 Milliarden Dollar hat die internationale Gemeinschaft seit 2002 für Afghanistan bereitgestellt. Doch die Taliban greifen mittlerweile in vier Fünfteln des Landes an.

Ein Name kursiert in diesen Wochen, der das ganze Scheitern wieder zusammenfasst. Michael Flynn, ein US-General, hat einen vernichtenden Bericht über seine Armee geschrieben: Nach acht Jahren Krieg seien die Geheimdienste nicht in der Lage, "grundsätzliche Fragen zu beantworten über das Umfeld, in dem die USA und ihre Verbündeten operieren, und über die Menschen, die sie zu überreden versuchen". (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2010)