Wien - Wie gewonnen, so zerronnen. Die Freude an den 300 Millionen Euro Buchgewinn, mit dem die ÖBB nach dem Vergleich mit der Deutschen Bank ihre Bilanz 2009 verschönern kann, währte nur kurz. Denn kaum ist die Causa Spekulationsverluste vom Tisch und aus den Büchern, rollen die nächsten Rückstellungserfordernisse an.

Sie werden auf 150 bis 180 Millionen Euro taxiert und stammen aus einem Ende 2008 vom Rechnungshof (RH) ans Licht beförderten Causa, die mit Eisenbahn ursächlich nichts zu tun hat. Es geht um Leistungen aus dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), die mit dem Bund von dem 2003 in zig Teilgesellschaften aufgegliederten ÖBB-Konzern nie korrekt abgerechnet wurden.

Laut RH hat sich die für Personalwesen zuständige ÖBB-DienstleistungsgmbH unter ihrem Ex-Geschäftsführer Franz Nigl vom zuständigen Finanzministerium nicht nur jene Entschädigungen vergüten lassen, die nach Abzug des von ihr zu zahlenden Selbstbehalts vom Bund zu tragen sind, sondern den gesamten Aufwand. Letzterer besteht aus der Leistung für rund 9300 Pflegegeldbezieher, Ärzte- und Gutachterhonoraren und betrug im Jahr 2006 48,5 Millionen Euro (exklusive 800.000 Euro Verwaltungsaufwand; ihn hat die ÖBB dem Bund nicht in Rechnung gestellt).

Modalitäten

Diese Abrechnungsmodalität ging naturgemäß zulasten des Bundes, ihm entgehen laut RH jährlich 23,3 Mio. Euro. Allein von 2003 bis 2007 verzichtete das Finanzministerium demnach auf 115,7 Mio. Euro. Wiewohl der RH moniert, das Finanzministerium hätte seine gesetzliche Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen und das Geld einfach an die ÖBB überwiesen, weist die Finanz eine Mitschuld von sich. Die Bahn hätte nie Ersatz für den Gesamtaufwand fordern dürfen, heißt es, daher liege seitens der ÖBB streng genommen Abgabenhinterziehung vor.

Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht. Die ÖBB will nicht zahlen, sie fühlt sich durch das BPGG schlechter gestellt als andere Dienstgeber. Letzteres attestiert auch der RH. Dies, weil zwar ihre Krankenversicherungsbeiträge um 0,4 Prozentpunkte gesenkt wurden, im Gegenzug müssen die Eisenbahner aber das Pflegegeld bis zur Höhe von 0,8 Prozent der Krankenversicherungsbemessungsgrundlage selbst tragen. Erst den darüberliegenden Aufwand ersetzt der Bund.

Wie auch immer die Causa ausgeht: Die Vorsorgen aus diesem Titel lassen erneut eine ÖBB-Bilanz 2009 mit tiefroten Zahlen erwarten. Erst recht, wenn für die laufenden Steuerverfahren wegen der Eisenbahner-Freifahrttickets ordnungsgemäß vorgesorgt wird. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2010)