Hubert Scheibl hält fest:  ",Alles läuft nach Wunsch‘ (2001: Odyssee im Weltraum)" , 2009

Foto: Essl Museum

Ein vermeintlich gefährliches Krokodil ist auch im Sammlerbecken.

Klosterneuburg - Filme fangen oft mit Landschaften an, Leben mit vielen Umdrehungen unter Wasser. Beiden gleich eigen ist ein zwangsläufiges Münden in den Skandal. Bei der Coen-Brüder-Verfilmung von Cormac McCarthys No Country for Old Man zoomt sich der spätere Held aus erhaben schönen Weiten in längst von Fliegen besetzte Schauplätze kürzlich erfolgter Gewalttaten, und erlebt in der Folge seine Selbstbestimmung als von bösen Fremden nachhaltig erschüttert.

Und jeder durchschnittlichen Geburt folgt eine Welt als Vorwurf, der gegenüber man nur so etwas wie eine Behauptung aufstellen kann, wenn früh im Leben schon mehr als ein Betriebssystem zur Entfaltung im Körper zugelassen wird. Träfe etwa das Betriebssystem "Maler" als einzig installiertes auf das Betriebssystem "Sammler" , wären beider Seelen gleich unglücklich und also spontan gewaltbereit.

Der Maler Scheibl und der Sammler Essl, sie könnten einander nie so begegnen, wie sie es im Moment gerade tun: sich wechselseitig tragend als für die jeweiligen Entfaltung fungierendes Eins präsentieren. Bis es soweit kam, hatten beide einiges zu schlucken, haben ihrer Intention gemäß ausgeteilt, und hatten ihrer Absicht folgend so manches einzustecken.

Weil: Weder malt Hubert Scheibl für Karlheinz Essl, noch sammelt der "Scheibls" des Huberts wegen. "Freundschaft" bezeichnet da immer den kleinstmöglichen Nenner einer Symbiose mit wechselseitigem Fruchtgewinn. Das bzw. den verarbeitet dann ein Betriebssystem ganz untadelig. Wäre aber aus sich heraus nicht in der Lage Bilder zu produzieren, immer wieder neue Bilder, die ja immer zunächst den Menschen im Atelier bewegen müssen, ehe Vermittlung sie einem Außen nahe bringt. Einem nie interesselosen Außen, einer Teilwelt, die zwecks Benennbarkeit gerne etikettiert.

Und so wurde Hubert Scheibl in einem Aufwaschen mit den meisten seiner Generation ein Schild an die rechte große Zehe geheftet. Ganz so, als wären sie alle Peter Greenaways Morts de la Seine. Ein Schild auf dem dann stand: "Maler, 80er-Jahre, wild" .

2010 zeigt der so Bezeichnete Fat Ducks, große Formate mit satt Pigment in Schichten von Öl. Beste Ware. Malereien, die erfüllen, was von Bildträgern idealerweise zu erwarten ist: Rahmen sprengen, Tiefen auftun, Licht geben, dem Standpunkt im Außen den gemütlichen Ast ansägen. Die Furchen in den Oberflächen legen bloß neue Oberflächen frei, die Sogkraft ist auf mindestens Warp 5, und ehe es zu esoterisch wird, verlautet die Bildunterschrift: Nicotin on Silverscreen, 2009. Passt! Gut, dass wir das haben.

Im Essl-Museum hat Hubert Scheibl auch noch eine andere Bildunterschrift angebracht: Einen skelettierten und ins Riesenhafte gesteigerten Alligatorenschädel auf Autoreifengeschnetzeltem an einer großen Portion grafischem Werk.

Dem in Binär-Code gemusterten, gemeinhin synonym mit "gefährlich" missbrauchten Kroko ist ein Schädel der noch gemeineren Rasse eingeschrieben: ein viel weiter Entwickelter, ein Unsriger, das bloßgelegte Haupt eines anonymen Menschen in Originalgröße. Oder: Eine Installation, die dank ihres Gewichts auf das so luftig leichte, bisweilen nicht weniger großformatige graphische Werk des als Maler katalogisierten Hubert Scheibl verweist.

Patzen und Flecken

Blätter sind das, in denen souveräne - Scheibl, würde bei anderen "intelligente" sagen - Striche und Patzen und Flecken und Punkte und Fahrer und Wischer entweder auf Vorgaben (Skelette, Tiere, strenge Muster) reagieren, oder sich selbst genügen. In jedem Fall ist es ein "ständiges Oszillieren zwischen Hüben und Drüben" das Hubert Scheibl - er wurde "geboren unter Wasser, 360 mal gedreht und hat studiert" - weitergibt und -treibt. Und wer ein klein wenig nur begriffen hat, gelebt, geliebt, gesündigt, dem ist ohnehin klar, dass sowohl "Hüben" als auch "Drüben" in den Naturen nur in der Mehrzahl vorkommen. Ganz so wie die Wahrheiten auch. Und die Sammler und Künstler und Betriebssysteme.

Und so haben sich die Scheibls mit den Essls zu vielen schönen Aussichten zusammengefunden, die allesamt bis zum 2.5. in dieser Konstellation in Klosterneuburg gleichzeitig stattfinden. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.1.2010)