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Monatelang kunstvoll in der Gerüchteküche von Blogs und Medien gegart, zog Apple-Chef Steve Jobs im gewohnten Outfit von Jeans und schwarzem Pulli mit Stehkragen schließlich Apples jüngste Kreation aus dem Hut, das iPad. Ein Mittelding zwischen "iPhone und Notebook muss Dinge besser können als die beiden anderen Geräte" , definierte Jobs den Anspruch, ein Gerät für persönlichen Online- und Medienkonsum, E-Mail, soziales Web und Fotos zu schaffen. Und das iPad würde die "intimste Form" sein, mit der man all dies tun könne, "besser als das iPhone, besser als ein Macbook" .

Gold

Tatsächlich setzen Content-anbieter nach dem überwältigenden Erfolg mit Apps am iPhone (140.000 Apps, drei Mrd. Down-loads) bereits große Hoffnungen darauf, mit dem iPad eine neue Goldmine zu finden. Von Spielen bis Software funktionieren alle iPhone-Apps auch am iPad, das dasselbe Betriebssystem und User Interface verwendet. Spieleproduzent Gameloft zeigte, wie Games auch am großen Display laufen und präsentierte neue Features.

"Wir entwickeln die nächste Version digitalen Journalismus"

Besondere Chancen sehen Verlage, die hoffen mit Geräten à la iPad ihre Druckprodukte digital zu transformieren. "Wir entwickeln die nächste Version digitalen Journalismus" , sagte Martin Nisenholtz von der New York Times, deren iPhone-App drei Millionen Mal geladen wurde. Die neue iPad-Anwendung kombiniere "das Beste von Print und Digital" , ein "Schnappschuss der Zeit, der exquisite Typografie, Inhalte und Bilder der Times, die Essenz des Zeitungslesens kombiniert" , erklärte Jennifer Brook, Interaction-Designer der neuen App. Eine Demo zeigte, wie sich Übersichtlichkeit des großen Displays mit Features wie Foto-Präsentationen und Videos gut paaren. Artikel können für späteres Lesen markiert und mit dem iPhone synchronisiert werden, und von der jeweiligen Zeitungsausgabe geht es nahtlos zu 24-Stunden-Updates.

Mühen

"Wir werden uns bemühen, für das iPad eine Anwendung herzustellen" , findet Oscar Bronner, Herausgeber des Standard, Apples neues Produkt eine "sehr spannende Entwicklung" . "Geräte dieser Art werden eine wichtige Rolle für Zeitungen spielen, da die Möglichkeiten weit über die jetzigen E-Paper-Lösungen hinausgehen."

 

Auch Buchverlage goutieren die Alternative zu Amazons Kindle und sein Vertriebsmodell. Apple bietet ihnen mit seinem neuen iBookStore eine neue Vertriebsplattform und verwendet dazu das offene E-Pub-Format, das auch andere E-Books benutzen. Fünf große US-Verlage sind bereits an Bord, und anders als beim Start des iTunes Store, der auf einheitliche Preise setzte (zur wachsenden Verärgerung der Labels, die zuletzt eine Änderung durchsetzten), gibt ihnen Jobs weitgehende Freiheit bei der Preisgestaltung.

Riskant

Eine neue Produktkategorie zu etablieren ist stets ein riskantes Unterfangen. Im Herbst 2001 präsentierte der damalige Microsoft-Chef Bill Gates den "Tablet PC" und wagte die Prognose, dass in fünf Jahren die meisten Notebooks Tablets sein würden - ihr Marktanteil grundelt heute bei einem Prozent, und Gates-Nachfolger Steve Ballmer zeigte Anfang des Jahres bei der CES einen Hewlett-Packard-Prototyp eines dem iPadähnlichen Geräts; das Interesse war in Erwartung des Apple-Gadgets unterwältigend. Smartphones wiesen schon vor dem iPhone so gut wie alle dessen Funktionen auf, zum Teil weitere und bessere - dennoch brachte erst das iPhone den Durchbruch als mobiles Internetgerät.

Zwar wird Jobs, wie auch bei der iPad-Präsentation, nicht müde, Netbooks als schlechte Kompromisse herunterzumachen, die "nur billiger" als Notebooks sind. Aber die überraschend große Nachfrage dürfte auch Apple darin bestärkt haben, dass es zwischen iPhone und Notebook noch etwas geben muss. Das iPad bringt die besten Voraussetzungen mit, dieses Etwas zu werden: 75 Millionen iPhone- und iPod-Touch-Benutzer wissen auf Anhieb damit umzugehen. Wenn es nicht am Namen scheitert: Denn für US-Frauen sind Pads Damenbinden. (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe,, 29. Jänner 2010)