Der demokratische Rechtsstaat Österreich lässt sich nur noch mit der schuldzuweisenden Feststellung charakterisieren: Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Was in diesem Staat die legislative Gewalt gilt, über die, vorsichtshalber parteiwillkürlich gefiltert, alles Recht vom Volke ausgeht, wird in diesen Tagen wieder einmal von einer Regierung demonstriert, die ohne viel Federlesens und ohne das Parlament über die Beschneidung seines wichtigsten Rechts zu informieren, den Termin für die Vorlage eines Budgets über den vorgesehenen Termin hinaus ins nächste Jahr verschiebt. Die Koalitionsparteien sind in so gut wie allen anstehenden Fragen entzweit, nur wo es gilt, ihre Lösungsinkompetenz zu verschleiern, halten sie zusammen als verkörperten sie eine Regierung aus Pech und Schwefel.
Ob man die "schlimmste Wirtschaftskrise seit den Dreißigerjahren" , die als eine der floskelhaften Ausreden herhalten muss, wirksam bekämpft, indem man das neue Haushaltsrecht ein Jahr nach seiner Etablierung übers Knie biegt, bleibt so lange offen, bis das für 2011 dann zu erwartende Wunderwerk von einem Krisenbudget vorliegt. Dass sich zwischen dem 20. Oktober 2010, an dem der Finanzminister das Budget vorlegen müsste, und dem nebulosen "Anfang 2011" , zu dem er es nun vorlegen möchte, grundsätzlich neue Erkenntnisse, die internationale Wirtschaftskrise betreffend, einstellen könnten, ist allerdings wenig wahrscheinlich.
Ach ja, und dann müsste auch das Ergebnis der Verhandlungen mit den Ländern über eine Verwaltungsreform abgewartet werden. Nachdem die Verwaltungsreform im Bund ja schon bisher enorme Fortschritte gemacht hat, erscheint die Erwartung eines aus den Bundesländern kommenden Reformschubs zwar umso berechtigter, aber doch irgendwie illusionär.
Dass sich hartgesottene Föderalisten, die schon in einem bundeseinheitlichen Jugendschutzgesetz eine Sünde wider den Geist sehen, von dem Gelaber über die schlimmste Krise seit den Dreißigerjahren verwaltungsreformatorisch beeindrucken lassen, wäre zu schön, um auf dieser Hoffnung einen Staatshaushalt zu begründen. An die sechs Milliarden Euro sollen in dieser Legislaturperiode eingespart werden, um das Budget halbwegs in Ordnung zu bringen. Das sei eine Mammutaufgabe, meinte der Finanzminister, ohne zu bedenken, dass Mammuts ausgestorben sind. Allein die Sozialpartner und sonstige Interessengruppen für die Lösung dieser Aufgabe zu gewinnen, erscheint derzeit - ein Beispiel Hacklerregelung - in weiter Ferne, davon einmal ganz abgesehen, dass man sich selbst innerhalb der Regierung über so gut wie nichts einig ist - außer darüber, den Budgettermin zu verschieben.
Böswillige Beobachter meinen nun, die Regierungsparteien wollten nur die drei Landtagswahlen dieses Jahres abwarten, ehe sie als Mammuts im Porzellanladen die Wähler verschrecken. Diese Spekulation könnte auch nach hinten losgehen. Die Ungewissheit über das Ausmaß künftiger Grauslichkeiten könnte sich schädlicher auf das Wahlverhalten auswirken als die Gewissheit des Unvermeidlichen, wenn es ausgewogen und klug begründet ist. (Günther Traxler/DER STANDARD, 29.01.2010)