Wien - Die Komponistin Olga Neuwirth erhält den Großen Österreichischen Staatspreis 2010 (30.000 Euro). Neuwirth (41) ist die bisher jüngste Preisträgerin der höchsten künstlerischen Auszeichnung der Republik und die erste Frau in der Sparte Musik. Für Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) zählt Neuwirth "zu den führenden KomponistInnen weltweit. Sie ist eine Grenzüberschreiterin in mehreren Gebieten wie wenige andere Künstler".
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Große Musikwerke strahlen, so komplex sie sein mögen, Eleganz und Leichtigkeit aus. Es sind ihnen die Entstehungsmühen, die Komponisten und Komponistinnen zu erleiden hatten, nicht "anzuhören". Auch auf Werke von Olga Neuwirth trifft dies zu - seien es klangsinnliche Orchesterwerke oder Opern wie Bählamms Fest und Lost Highway.
Die Komponistin hat jedoch nie bestritten, dass ihr Job aufreibend ist und ziemlich einsam macht. Absurd erscheint ihr etwa, dass eine Unmenge an Lebenszeit verzehrt wird, indem die schon im Kopf strukturierten Stücke zeitaufwändig niederzuschreiben sind. Und als schmerzvolle Provokation empfindet es Neuwirth, dass sie als Komponistin mit Widerständen zu tun hatte, die Kollegen nur vom Hörensagen kannten. Um selbstverständliches Ernst-genommen-Werden kämpfen zu müssen, hat sie jedoch nicht verstummen lassen.
Die Grazerin (Jahrgang 1968), die eigentlich Trompeterin werden wollte, mit 15 jedoch nach einer Verletzung aufgeben musste, ist eine engagierte Zeitgenossin, die Position bezieht: Bei Antritt der schwarz-blauen Regierung trug sie bei einem Konzert eine schwarze Protestschleife um den Arm, was ihr ein paar unangenehme Momente mit Teilen des Publikums bescherte. Und dass sie die Rolle von Komponisten in der Gesellschaft offensiv definiert, konnte man bei den Salzburger Festspielen erleben: Neuwirth geißelte in einer Rede den Klassikbetrieb - dieser missbrauche Künstler als "Schmuckgestalten". Und sie meinte, Mozart würde mit seiner Begabung heute in eine Klinik eingewiesen werden.
Neuwirth, längst international renommiert, will oppositionell irritieren. Was Wunder auch, dass sie, die sich zweimal vergeblich um eine Professur an der Wiener Musik-Uni beworben hat, nun, da ihr der Staatspreis zuerkannt wurde, mit den Worten "erstaunlich", "zwiespältig" und "natürlich eine Ehre" reagiert und hinzufügt: "Wäre ich von Österreich abhängig gewesen, wäre ich keine Komponistin."
Ihre langjährige Freundin und Librettistin Elfriede Jelinek ist jedenfalls "überglücklich" und hofft, dass Neuwirth "auch die vielen Zurücksetzungen wenigstens kurz vergessen kann, die Österreich ihr angetan hat".
Wie auch immer. Am 8. April, bei der Preisvergabe, wird sich die geübte Performerin Neuwirth hoffentlich nicht nehmen lassen, ihre Dankbarkeit unbequem auszudrücken. (Ljubisa Tosic / APA / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.1.2010)