Der Februar wird ein einziges Sportfest. Millionen Österreicher werden sich dem weißen Rausch hingeben - vornehmlich vor den Fernsehern, ein Schnitzerl auf dem Teller, ein Krügel in der Hand. Die abendlichen Übertragungen der Olympia-Rennen aus Vancouver eignen sich ideal für die Extremformen des couchzentrierten Passivsports.

Die Nation kämpft nicht nur in Abfahrt und Slalom um Stockerlplätze. Auch in den Disziplinen Rauchen, Saufen und Faulenzen klassieren sich die heimischen Athleten regelmäßig im Spitzenfeld. Und im Gegensatz zum Ski-Weltcup gibt es hier keine Nachwuchssorgen. Wenn es etwa darum geht, Kilos im dreistelligen Bereich anzuhäufen, kann unseren Burschen in der westlichen Hemisphäre keine Konkurrenz etwas vormachen.

Der Cheftrainer, Gesundheitsminister Alois Stöger, ist zu kurz im Amt, um ihm allein die internationalen Ranglisten, die Österreichs Jugend einen höchst ungesunden Lebenswandel attestieren, anzulasten. In einem Jahr lässt sich der Grundfehler im System nicht beheben: Österreich buttert viel Geld in gute Spitäler, um Krankheiten zu behandeln, investiert aber zu wenig, um diese von vornherein zu vermeiden. Diese Praxis kostet volkswirtschaftlich betrachtet unterm Strich wohl unnötiges Geld, vor allem aber vielen Menschen Lebensjahre.

Auch Stöger preist das Prinzip der Prävention, doch er exerziert es nicht konsequent vor. Der unaufdringliche Oberösterreicher ist fachlich kompetent, aber unscheinbar. Das ist nicht nur für seine weitere Karriere und die Strategen der SPÖ ein Problem, sondern auch für die Ziele der Gesundheitspolitik.

Gesundheitsminister haben wenig handfeste Macht. Jede Reform müssen sie unzähligen Akteuren abverhandeln, jeden Euro dem Finanzminister abringen. Ihre einzige Waffe ist die Öffentlichkeit: Stimmung erzeugen, Bewusstsein schaffen, Kampagnen fahren - für ein Rauchverbot, gegen Übergewicht. Doch das tut Stöger zu unentschlossen. Man sieht ihn nicht, man hört ihn kaum.

Beispiel Rauchen: Ein bisschen hat der Minister herumgemäkelt am windelweichen Rauchergesetz, er will es halt irgendwann prüfen. Wer, wenn nicht der oberste Wächter über die Volksgesundheit, hat angesichts unzähliger Studien über die verheerenden Folgen von Nikotin für ein Rauchverbot in allen Lokalen zu kämpfen?

Dann hätte auch die Jammerei der Wirte über die Kosten der Raucherbereiche und die Ungleichbehandlung schlagartig ein Ende - wenn nirgends gepofelt werden darf, können die Kunden nicht flüchten. Von "Evaluierung" und "Interessenausgleich" soll in dieser Frage vielleicht ein Regierungskoordinator faseln, aber bitte nicht der Gesundheitsminister. Der muss - um es in den Worten des Raucheranwalts Manfred Ainedter auszudrücken - den radikalen "Nikotin-Taliban" spielen.

Sicher würde Stöger laute Proteste ernten und auch die eine oder andere böse Schlagzeile. Vielleicht droht ihm ein Rüffel von Bundeskanzler Werner Faymann, der ungern Ideen aufgreift, die nicht a priori Begeisterungsstürme auslösen. Aber zumindest punkto Tabakverbot wäre der Rückenwind so stark wie nie, schließlich haben sich sogar die nicht gerade staatshörigen Italiener mit Rauchverboten in ihren Trattorien abgefunden.

Hat Stöger keine Mehrheit in Regierung oder Bevölkerung, muss er offensiv darum werben. Diese Kunst nennt sich Politik. (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.1.2010)