Geld, das die Banken nun zurückzahlen, will er an Kleinunternehmen weitergeben. Und die Republikaner sollten nicht immer nur Nein sagen.
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Der Präsident spricht von Steuersenkungen, für Familien, für Kleinunternehmer, für Hauskäufer, er klingt wie ein Konservativer, kaum anders als Ronald Reagan. Die Demokraten springen von ihren Stühlen, feiern die Passage mit stehenden Ovationen, während die Republikaner demonstrativ sitzen bleiben. Mehr amüsiert als irritiert schaut Barack Obama hinüber zur Opposition. Voller Angriffslust bringt er die verkehrte Welt auf den Punkt. "Und ich hatte gedacht, dass Sie an dieser Stelle applaudieren."
71 Minuten steht Obama am Pult unter dem riesigen Sternenbanner, um die Rede zur Lage der Nation zu halten, die Chance, für die nächsten zwölf Monate ein paar Pflöcke einzuschlagen. Es sind 71 Minuten, in denen er einen kämpferischen Grundton anschlägt, hier und da Humor aufblitzen lässt, nichts von der Zerknirschung erkennen lässt, die ihm seine Kritiker angesichts schlechter Umfragen nachsagen.
Den Amerikanern signalisiert er, dass er ihren Ärger versteht, den Frust angesichts von zehn Prozent Arbeitslosigkeit nachempfinden kann. Zwei Drittel seiner Rede widmet er der Wirtschaft, vor allem geht es um Jobs. Es ist seine Antwort an Kritiker, die ihm vorwerfen, er habe sich im ersten Amtsjahr zu wenig um Arbeitsplätze gekümmert, dafür zu viel Zeit vertan mit sperrigen Themen wie der Gesundheitsreform. Die Außenpolitik, sonst oft Mittelpunkt der "State of the Union Address" , tritt völlig in den Hintergrund. Afghanistan, Iran, Nordkorea: Nur mit wenigen Worten streift Obama die Konfliktherde.
"Jobs müssen 2010 unsere Priorität Nummer eins sein" , ruft der Präsident und fordert ein Gesetz, das Beschäftigung fördert, de facto ein zweites Konjunkturpaket. Kleinbetriebe sollen Steuervorteile erhalten, wenn sie neue Leute einstellen. Von dem Geld, mit dem der Staat die maroden Finanzinstitute der Wall Street rettete und das Letztere nach und nach zurückzahlen, sollen 30 Milliarden an kleinere, lokal verwurzelte Banken fließen, damit die es dem Mittelstand leihen und die Wirtschaft schneller in Fahrt kommt.
Es ist ein Bündel konkreter Maßnahmen, und Obama verkündet es wie ein Versammlungsleiter, der sich diszipliniert durch die Tagesordnung arbeitet. "Nächster Punkt" , sagt er jedes Mal, wenn er einen neuen Vorschlag unterbreitet. An die Stelle spektakulärer Rhetorik ist die nüchterne Sprache eines Managers getreten, eines Mechanikers, der an Stellschrauben dreht, statt grandiose Entwürfe zu skizzieren. Nur einmal greift er das Motto vom Wandel auf. "Ich weiß, es gibt viele Amerikaner, die nicht mehr recht glauben, dass wir uns ändern können. Aber ich habe nie suggeriert, dass der Wandel leicht wird." Wer große Veränderungen versuche, schüre Leidenschaft und Kontroverse.
Besser erklären
Selbstkritisch gibt Obama Fehler zu, etwa bei der Gesundheitsreform, die nach siebenmonatigem Verhandlungsmarathon kurz vorm Ziel zu scheitern droht. Er hätte das Projekt besser erklären müssen, räumt er ein. "Aber um eines bitte ich den Kongress: Lauft nicht weg vor der Reform. Nicht jetzt, wo wir so nah dran sind."
Die Republikaner warnt er davor, immer nur Nein zu sagen. Die Demokraten nimmt er ins Gebet, weil sie aufgescheuchten Hühnern gleichen, seit der Republikaner Scott Brown eine Nachwahl in Massachusetts gewann und sie im Senat nur noch auf 59 Sitze kommen. "Ich möchte daran erinnern, dass wir immer noch die seit Jahrzehnten größte Mehrheit haben."
Nicht verzagen, kämpfen, durchhalten - so, betont Obama zu Beginn, sei Amerika. Es ist die Einstimmung auf zwei kurze Sätze am Schluss, zwei kurze Sätze, die wohl am ehesten im Gedächtnis haften bleiben. "Wir geben nicht auf! Ich gebe nicht auf!" (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2010)