Was der Bund kann, kann Wien besser: So scheint das Motto zu lauten, unter welchem Wiens Integrations-Chefin Sandra Frauenberger die Klubchefs von SPÖ, ÖVP und den Grünen das neue Wiener Zuwanderungskonzept präsentieren ließ. Es ist nur zehn Tage her, dass die Bundesregierung ihren „Aktionsplan für Integration" (NAP-I) beschlossen hat.
Im Gegensatz zum Wiener Papier sorgte es für Aufregung bei der Opposition, aber auch in den Regierungsparteien: Es war Frauenberger (SPÖ) selbst gewesen, die den NAP-I. als „unausgegoren und schwammig" bezeichnet hatte.
Pendelmigration steigt
Fünf Monate lang haben die Mitwirkenden der Zuwanderungskommission unter Anhörung von 30 NGO-VertreterInnen am nun vorliegenden Papier gearbeitet. Dieses unterscheidet sich im Inhalt wesentlich vom NAP-I der Bundesregierung: Hier ist keine Rede von der Beschränkung das Familiennachzugs aus Drittstaaten - denn dieser sei „ohnehin die Minderheit der Immigranten und außerdem im Sinken begriffen", erklärt Kommissions-Vorsitzender Thomas Oliva. Viel relevanter sei die ansteigende Zuwanderung aus neuen EU-Staaten, aber auch der höhere Anteil an PendelmigrantInnen: So wanderten 2008 zwar 70.000 Menschen nach Wien zu, im gleichen Jahr zogen aber 59.000 Personen weg. Netto immigrierten also nur 11.000 Menschen.
Es werde nun darum gehen, als Stadt „attraktiv" zu sein, betont Eugen Antalovsky, der die Kommission beraten hat. Denn wenn Immigration nicht mehr geregelt werden kann - Stichwort EU-Binnenmigration -, dann müsse man sie gestalten: also „die besten Köpfe und Hände anlocken", wie Frauenberger es formuliert.
"Start Wien" auch für EU-MigrantInnen
Das Papier enthält 28 Empfehlungen an die Politik. Nur wenige davon finden schon konkrete Auswüchse. Eine davon ist die Öffnung der Orientierungskurse auch für EU-MigrantInnen - "weil wir sehen, dass wir den Großteil der Migranten mit den Deutschkursen bis jetzt nicht erreicht haben", sagt Frauenberger. Bisher wurden nur Drittstaatsangehörige eingeladen, sie bekamen die Sprach- und Orientierungskurse des „Start Wien"-Programms mit 300 Euro gefördert. Finanzielle Zuschüsse werde es für EU-BürgerInnen zwar nicht geben, Frauenberger glaubt dennoch an einen Erfolg: „Wir haben auch bisher gesehen, dass die Module beliebter waren als erwartet."
Die Präsentation des Papiers gelang nicht ohne Distanzierung des ÖVP-Vertreters Matthias Tschirf: Dass für ihn die Einbürgerung erst der letzte Schritt der Integration sei, dass er nicht gedenke, langansässigen AusländerInnen das Wahlrecht zuzugestehen, „daraus mache ich keinen Hehl", so Tschirf. Auch sehe er das Papier - im Gegensatz zu SPÖ und den Grünen - „nicht als Zuruf an die Bundespolitik."
Alle außer FPÖ
Dass es dennoch gelang, einen Drei-Parteien-Konsens zu finden, „das freut mich sehr", sagt Frauenberger - wohl auch angesichts der Wien-Wahl im Herbst. Die vierte Partei im Landtag, die FPÖ, hatte die Einladung zur Mitarbeit ausgeschlagen. SP-Klubchef Siegi Lindenmayr glaubt zu wissen, warum: „Die feilen schon an den nächsten Sprüchen: Blunzenfett statt Minarett, oder so." (mas, derStandard.at, 29.1.2010)