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Am 4. Februar 2000 erfuhr Österreich seine "Wende" und ein politisches Erdbeben. Auf den Tabubruch der ÖVP, mit einer extrem rechten und fremdenfeindlichen Partei eine Regierungskoalition zu bilden, folgten die "Maßnahmen" der damaligen EU-14 und eine Fülle nationaler Protestaktionen.

Eine besonders weitreichende, international mit großem Interesse wahrgenommene künstlerische Initiative ist jetzt in diesem Buch aus Christian Reders "Edition Transfer" dokumentiert: Die von Kuratorin Cathrin Pichler mit dem Kunstverein "museum in progress" ins Leben gerufene Künstler- und Intellektuellenplattform TransAct - Transnational Activities in the Cultural Field.

Die künstlerischen Interventionen und Irritationen der TransAct- Aktivisten fokussierten auf politische Inhalte und soziale Anliegen. Über 70 im Standard publizierte Arbeiten international renommierter Künstler lieferten eine kritische Bestandsaufnahme der Republik und sprachen sich dezidiert gegen Xenophobie und die drohende kulturelle Isolation aus.

Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen sollten in einem ästhetischen Diskurs reflektiert werden. Die postulierte Forderung nach Freiheit der Kunst, Meinungsfreiheit, historischer Verantwortung und sozialem Gewissen wurden weithin öffentlich sichtbar gemacht. Das Spektrum der Intellektuellen, Künstler und Wissenschafter, die sich an TransAct beteiligten, ist breit und imposant: Pierre Bourdieu, Günter Brus, Harun Farocki, Bodo Hell, Lisl Ponger, Oswald Oberhuber, Walter Schmögner, Nancy Spero, Emmerich Tálos, Lawrence Weiner, Heimo Zobernig et alii.

Wirtschaftlich geriet "museum in progress" unter existenzbedrohenden Druck. Aufgrund politischer Interventionen beendeten mehrere Sponsoren innerhalb weniger Wochen ihre finanzielle Unterstützung. Entgegen dem Vorwurf "politischer Agitation" handelt es sich um eine Sammlung sorgsam kuratierter Kunstwerke, deren Essenz in dieser Dokumentation nachvollziehbar wird. Der Band enthält zudem einen Textauszug aus einer Rede von Standard-Herausgeber Oscar Bronner bei den Mediengesprächen 2000 in Alpbach, in der Bronner auf die Geschehnisse des Jahres eingeht, sowie eine Chronik des Machtwechsels vom damaligen Chefredakteur Gerfried Sperl.

"museum in progress" wurde von Kathrin Messner und dem 2009 mit 53 Jahren verstorbenen Joseph Ortner gegründet. Ortner, als kongenial wie unermüdlicher Transporteur eines demokratischen Kunstbegriffes und "Agent provocateur" für freie Kunstvermittlung, Messner, Pichler und ihr Mitarbeiter Roman Berka haben ein auch nach einem Jahrzehnt noch fesselndes Opus geschaffen, das das gesellschaftspolitische Potenzial von Kunst im öffentlichen Raum einprägsam neu definiert hat: Ein wertvolles Dokument zur jüngsten Zeitgeschichte. Die Präsentation des (im Handel bereits erhältlichen) Buches findet im März im "Stadtkino" statt; der Standard wird berichten. (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.01.2010)